Eine mutige Auszeit: Warum Sabbaticals Fluch und Segen sind
Eine Reise um die Welt, mehr Zeit mit der Familie, ein Hausbau, ein Freiwilliges Soziales Jahr oder ein entschleunigtes Leben am Land: Gründe für berufliche Auszeiten gibt es zu Genüge. Deswegen ist der Wunsch nach einem sogenannten „Sabbatical“ entsprechend groß. Wie viele es in Anspruch nehmen, weiß man nicht. Zahlen liegen weder Gewerkschaften noch Arbeiterkammer vor, da diese Auszeiten betriebsintern geregelt werden.
Viele können es jedoch nicht sein, denn Sabbaticals sind – was Geld und Versicherung betrifft – mit Einbußen verbunden. Laut AK-Expertin Marlene Frank stellt das für viele ein großes Hindernis dar. „Man muss es sich leisten können. Sowohl finanziell als auch beruflich“, sagt auch Arbeitspsychologin Olivia Rathammer.
Was sind Sabbaticals?
Iventa-Personalberater Robert Koenes formuliert es hart: „Ein Sabbatical zu beantragen, heißt im Grunde, dass man kündigt und hofft, später wiedereingestellt zu werden.“ Tatsächlich könnte eine Form der Sabbatical-Vereinbarung mit dem Arbeitgeber genauso aussehen.
Marlene Frank (AK) erklärt: „Man kann einvernehmlich auflösen und eine Wiedereinstellungszusage treffen. Dann besteht eine implizierte Pflicht, den Mitarbeiter nach der vereinbarten Zeit, wiedereinzustellen.“ Eine andere Option ist, das „Arbeitsverhältnis zu karenzieren, es also zu pausieren. So bleibt das Arbeitsverhältnis aufrecht“, sagt Frank, und es brauche keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses, um von den Arbeitspflichten befreit zu werden.
Einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Sabbaticals gibt es nicht: „Es ist grundsätzlich Vereinbarungssache. Man muss ein beidseitiges Einvernehmen mit dem Arbeitgeber herstellen“, erklärt Frank, „um auf der einen Seite den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht zu befreien und auf der anderen Seite den Arbeitgeber von der Entgeltpflicht.“
Mittlerweile seien Sabbaticalregelungen in zahlreichen Kollektivverträgen (KV) inkludiert, was besonders bei der Rückkehrreglung helfen könne, sagt Isabel Koberwein von der Gewerkschaft GPA: „Im Rahmen der Vereinbarung mit dem Arbeitgeber ist die Rückkehr an den bisherigen bzw. vergleichbaren Arbeitsplatz zu regeln. Kollektivverträge sehen solche Festlegungen meist vor.“
Laut GPA gibt es grundsätzlich zwei Modelle (die man kombinieren kann):
Entgeltkürzung
- Man bekommt für einen längeren Zeitraum weniger Gehalt. Während der Auszeit hat man dann Anspruch auf Weiterbezahlung des Entgelts
- Zu beachten: In der Sozialversicherung werden dann auch geringere Beiträge abgeführt (wirkt sich aus auf Pension, Arbeitslosen- und Krankengeld)
Zeitguthaben
- Hier wird die Normalarbeitszeit überschritten und das gesparte Zeitguthaben kann später im Sabbatical konsumiert werden
- Zu beachten: Das höhere Arbeitszeitausmaß kann psychisch belastend werden
Ein attraktives Angebot
Sabbaticals stellen Unternehmen jedoch vor ein personelles Problem – in Zeiten des Arbeitskräftemangels mehr denn je. Teams seien meist ohnehin überlastet und durch einen längeren Ausfall muss Arbeit neu aufgeteilt oder sogar eine neue Arbeitskraft eingestellt werden. Das sollte laut Arbeitspsychologin Rathammer jedenfalls berücksichtigt werden, damit es nicht zu Verstimmungen kommt.
Im Gegenzug seien Arbeitgeber gut beraten, durch Angebote wie Sabbaticals ihre Attraktivität zu erhöhen, merkt Koberwein (GPA) an. Laut Arbeitspsychologin Olivia Rathammer gehöre es bereits zum guten Ton, solche Freiheiten anzubieten: „Mitarbeiter kommen im besten Fall erholt und motiviert zurück. Die Loyalität und Bindung ans Unternehmen steigen auch.“
Knick im Lebenslauf
Im Lebenslauf machen sich Sabbaticals jedoch weniger gut, sagt Personalberater Koenes. Auch weil manche die Arbeitssuche gerne mit dem Begriff Sabbatical tarnen. Einfach, „weil sie meinen, dass es besser aussieht“, sagt Robert Koenes. Vor allem wenn vor der Auszeit viele kurze Dienstverhältnisse im Lebenslauf aufscheinen, hinterfrage er die Bewerber. „Es kommt darauf an, ob es schlüssige oder nachvollziehbare Begründungen gibt.“
Manchmal seien die Gründe eher kryptisch: „Ich habe mir eine Auszeit gegönnt. Bei solchen Erklärungen frage ich mich, ob ein 35-Jähriger schon so überarbeitet ist, dass er sich eine Auszeit gönnen muss“, überspitzt es Koenes und ergänzt, dass diese Auszeit natürlich jedem zustehe. Die Frage sei aber, inwieweit man sich danach wieder in der Arbeitswelt einleben kann und Anschluss findet.
Riskante Rückkehr
Die Sicherheit, nach einem Sabbatical wieder in den gleichen Job zurückzukommen, gibt es nicht. Nicht einmal dann, wenn es so geplant war, sagt Arbeitspsychologin Olivia Rathammer. „Systeme werden neu organisiert und damit muss man rechnen.“ Man darf also nicht unflexibel sein. Ein weiteres Problem verortet Robert Koenes in der Expertise: Denn bleibt man als Spezialist lange fern, könne es passieren, dass die ursprünglichen Fähigkeiten nicht mehr gefragt sind.
Als ersten Schritt jeder Sabbatical-Planung sollte man sich deshalb zunächst die Frage beantworten: Was erhoffe ich mir von der Auszeit? „Wenn man eine Weltreise machen oder neue Hobbys ausprobieren will, ist es eine ganz andere Perspektive, als wenn man von der Arbeit überlastet ist und hinterfragt, ob man diesen Job überhaupt noch länger machen will“, sagt Rathammer.
Robert Koenes Tipp: „Wenn der Wunsch dahinter das Reisen ist, wäre vielleicht sogar eine Workation oder eine Bildungskarenz die bessere Alternative.“
Vom Büro in die Almidylle
„Man muss sich gut überlegen, ob das leistbar ist“ - Gertraud Steyrer
Es war ein langer Sommer auf der Alm, fern von der Großstadt. Für Gertraud Steyrer und ihren Mann ein Paradies, in dem sie ihre vier Sabbatical-Monate verbringen durften. Ohne Stadttrubel, aber auch ohne Handynetz, umgeben von 188 Jungtieren, für die sie nun verantwortlich waren.
Jeden Tag wanderte die Teamleiterin eines österreichischen Medienunternehmens für mehrere Stunden über Weiden, um nach ihren Kälbern zu sehen. Ganz nebenbei bewirtschaftete das Paar auch die Alm.
KURIER: Wie kam es zu der Entscheidung, das Stadt- für das entschleunigte Landleben einzutauschen?
Gertraud Steyrer: Ich habe mir schon länger überlegt, eine Auszeit zu nehmen, und plötzlich war der Anlass da: Eine Almbetreiberin in meinem Heimatort ist in Pension gegangen und wir haben uns für die Stelle beworben.
Nachdem ich mit meinem Mann schon immer einen Alm-Sommer verbringen wollte, hat sich das gut ergeben. Innerhalb eines Monats war klar, dass wir die Stelle bekommen. Es war einfach Zufall – oder Schicksal.
Sabbaticals können eine finanzielle Herausforderung sein. Wie war Ihre Erfahrung?
Man muss sich auf jeden Fall gut überlegen, ob es leistbar ist. Ich habe mich dazu entschieden, ein Jahr lang nur die Hälfte meines Gehalts zu beziehen. Da wir davor auch unsere Wohnung in Wien aufgegeben haben, konnten wir die Fixkosten auf ein Minimum reduzieren. Auf der Alm konnten wir ebenfalls Einnahmen generieren. Sonst galt „Weniger ist mehr“. Ich würde es sofort wieder machen.
Fällt eine Rückkehr ins alte Berufsleben nach so einer Idylle schwer?
Die Umstellung fällt schon sehr schwer. Ich habe mehrere Monate gebraucht, um mich wieder einzuleben. Es ist wie ein Korsett. Aber mein Team und meine Chefin waren sehr unterstützend. Ich war auch etwas erleichtert, dass ich auch nach einer längeren Pause immer noch gebraucht wurde. Die Sorge war nämlich da, obwohl mir das Gefühl nie vermittelt wurde.
Eine Reise um die Welt
„Ich kann voller Elan wieder einsteigen“
Nach ihrem 50. Geburtstag traf die Lehrerin Sylvia Comployer endlich die gewagte Entscheidung und reichte den Sabbatical-Antrag ein. Kurz darauf buchte sie gemeinsam mit ihrem Mann die lang ersehnte Weltreise. Der Startpunkt: Asien. Sie reisten von Singapur nach Bali und später nach Australien (wo Comployer mit einem Wombat kuscheln konnte), Neuseeland und Thailand. Das war 2019. Die Erfahrung dürfte positiv gewesen sein, denn der KURIER erreicht sie mitten in ihrem zweiten Sabbatical.
KURIER: Warum fiel die Entscheidung, Ihr erstes Sabbatical anzutreten, so schwer?
Sylvia Comployer: Die Entscheidung war eine sehr emotionale. Denn ich dachte, Sabbaticals macht man nach der Matura oder vor der Pension, aber nicht, wenn man 50 ist und voll im Leben steht. Es hat also ein bisschen Mut gebraucht, aus dem Hamsterrad auszubrechen.
Ich wollte damals Abstand gewinnen, meinen Horizont erweitern und meinen Beruf reflektieren. Und das hat sehr gutgetan. Die Entscheidung, ein zweites Sabbatical anzutreten, fiel deutlich leichter. Ich weiß, dass es mir gelingen wird, voller Kraft und Elan wieder in den Job einzusteigen.
Wie reagierte Ihr Umfeld auf die Sabbaticals?
Viele glauben, dass mir das Sabbatical finanziert wird. Das stimmt nicht. Man spart sich dafür etwa ein Jahresgehalt an. Das erste Mal habe ich vier Jahre lang 80 Prozent meines Gehalts bezogen. Beim zweiten Mal nur die Hälfte. Das ist ein großer Einschnitt. Und dafür muss man aus seiner finanziellen Komfortzone raus. Ich habe viele Kollegen, bei denen sich das nicht ausgehen würde. Bei mir ging es sich aus, weil ich nicht alleine lebe. Ob man es sonst schaffen würde, weiß ich nicht.
Wie füllen Sie sich die zweite Auszeit?
Wir reisen auch dieses Mal viel. In manchen Ländern melde ich mich für freiwillige Arbeit an, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Etwas, das sich normalerweise nicht ausgeht. Sonst versuche ich, mehr Zeit mit meinem Enkelkind zu verbringen, was ich sehr genieße.
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