Grafenwörth hat 3.291 Einwohner. Ausgerechnet jene Gemeinde, in der es zuletzt einen Skandal um millionenschwere Grundstücksdeals des Bürgermeisters gab (mehr dazu hier), soll nicht vom Informationsfreiheitsgesetz umfasst sein?
Das möchte man angesichts eines Entwurfs der türkis-grünen Regierung, über den Ö1 am Mittwoch berichtet, meinen. Demnach sollen Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern ausgenommen sein. In 2.006 Gemeinden (von 2.093), auf die sich die halbe Bevölkerung Österreichs verteilt, würde das Amtsgeheimnis de facto erhalten bleiben.
Das stimmt nur zum Teil. Die Ausnahme bezieht sich nämlich nur auf die „proaktive Veröffentlichungspflicht“ – nicht auf individuelle Anfragen.
Der Unterschied: Die Regierung will eine allgemein zugängliche Datenbank einrichten, in die Städte und Gemeinden unaufgefordert, also proaktiv, Informationen „von allgemeinem Interesse“ einspeisen müssen.
Der Gemeindebund hat hier grobe Bedenken geäußert. Auch Kleinstgemeinden müssten dann bei jedem Schriftstück prüfen, ob es die Kriterien für die Datenbank erfüllt, und ob durch eine Veröffentlichung nicht andere Interessen verletzt werden – beispielsweise Urheberrecht, Datenschutz oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen.
Heikle Abwägung
Ein Beispiel: Wenn eine Gemeinde ein Bauprojekt ausschreibt, bewerben sich mehrere Architekturbüros und reichen ihre Ideen ein. Das öffentliche Interesse besteht darin, dass die Bürger wissen sollen, ob am Ende wirklich der beste und preiswerteste Vorschlag ausgewählt wurde. Andererseits sind Entwürfe und Zeichnungen ja geistiges Eigentum eines Architekten.
Was also tun? Um das einzuschätzen, bräuchte es entsprechendes Personal, aber nicht jede Gemeinde habe einen Juristen angestellt, heißt es beim Gemeindebund. Bei Fehleinschätzungen bestehe immerhin das Risiko von Schadenersatzforderungen oder Amtshaftungsklagen.
Individuelle Anfragen hingegen sollen in allen Gemeinden möglich sein – auch bei weniger als 10.000 Einwohnern. Die Gemeinde muss zwar auch hier prüfen, ob andere Interessen verletzt werden könnten. Im Gegensatz zur proaktiven Informationspflicht aber nur im Anlassfall.
Beim Gemeindebund wird betont, dass man für Transparenz sei. Es brauche aber klare, einfache Regeln auf kommunaler Ebene.
„Letztes Aufbäumen“
Als das Papier am Mittwoch publik wurde, meinte die grüne Klubchefin Sigrid Maurer: „Offensichtlich versuchen Länder und Gemeinden in einem letzten Aufbäumen, das Amtsgeheimnis zu verhindern.“
Sie betont: Der Gesetzesentwurf der Koalition sehe „selbstverständlich“ die Abschaffung des Amtsgeheimnisses für Bund, Länder und alle Gemeinden vor. Die Verhandlungen befänden sich im Finale, in den nächsten Wochen soll der Entwurf an das Parlament übermittelt werden.
Zeit wär’s: Der erste Entwurf zur Infofreiheit war im Februar 2021 in Begutachtung – so lange wird schon verhandelt.
➤ Der KURIER berichtete am 23. Februar 2021: Wie Bürger künftig Einsicht in Akten erhalten
Der vorliegende Entwurf datiert mit Juni und ist nicht final. Denn gerade bei der eingangs erwähnten Ausnahmeregel sei „das letzte Wort noch nicht gesprochen“, heißt es im Grünen Klub. So könnte beispielsweise die Grenze auf unter 5.000 Einwohner gesenkt werden. Allerdings wären dann immer noch 1.819 Gemeinden ausgenommen. Auch Grafenwörth.
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