Ab 1999 haben alle Regierungen Sparprogramme verhängt, und zwar mit folgenden Maßnahmen: Nicht-Nachbesetzen von Pensionierungen sowie ein genereller Aufnahmestopp. Dieses fantasielose Kürzungsprogramm wurde erst 2016 abgestellt und hatte über die Jahre zur Folge, dass der Staatsdienst zu wenig Nachwuchs aufbauen konnte.
Die Alterspyramide im öffentlichen Dienst stellt sich daher besonders krass dar (siehe Grafik).
Während in der Privatwirtschaft 30 Prozent der Arbeitnehmer über 50 sind, sind es im Bundesdienst 45 Prozent. Und während Privatfirmen auf 36 Prozent Unter-35-Jährige zurückgreifen können, hat der Bund nur 26 Prozent Junge zur Verfügung.
Auch die mittlere Generation ist im Staatsdienst mit 29 Prozent stark unterrepräsentiert. Genau diese Generation der 40-Jährigen soll aber nun in die Leitungsfunktionen der Alten nachwachsen, deren Führungsaufgaben übernehmen und deren Spezialwissen ersetzen. Doch so manche(r) Jüngere reißt sich nicht um einen beruflichen Aufstieg, der viel Mehrarbeit bringt, aber vergleichsweise wenig Gehaltserhöhung.
Dieses Phänomen gibt es zwar in der Privatwirtschaft auch, aber im Öffentlichen Dienst kommt eine Spezialität hinzu. Mit Ausnahme des Sicherheitsbereichs (Polizisten, Soldaten, Richter, Staatsanwälte, Justizwache) wurde die Pragmatisierung, und damit das Beamtenschema mit zugehöriger Besoldung, abgeschafft. Die jüngeren Staatsdiener sind Vertragsbedienstete. Das führt mitunter zu dem Kuriosum, dass eine Abteilungsleiterin im neuen Dienstrecht weniger oder gleich viel verdient als die ihr unterstellten Beamten.
Diesen Missstand wird die Zeit beheben, denn den klassischen Akten schupfenden Beamten wird es, beschleunigt durch die Pensionierungswelle, bald nicht mehr geben. Die Vertragsbediensteten unterscheiden sich kaum noch von Angestellten in der Privatwirtschaft.
Genau darin besteht für den Staat auch eine Chance, mit dem personellen Aderlass fertig zu werden: durch das Anwerben von Quereinsteigern. Seit Werner Kogler Beamtenminister ist, werden freie Führungspositionen gleichzeitig intern und extern ausgeschrieben. Zuvor hat man zuerst intern, oft vergebens, gesucht, und wertvolle Monate verloren.
Jetzt kann sich bewerben, wer Fachwissen oder Führungserfahrung mitbringt – egal, ob aus einem anderen Ministerium oder einer Firma. Durch das Auslaufen des Beamtentums unterscheiden sich auch die Unternehmenskulturen zwischen Privat und Staat nicht mehr so eklatant wie früher.
Das Management im Ministerium für den Öffentlichen Dienst hat eine Reihe von Instrumenten entwickelt, um die Personalsituation in den Griff zu bekommen und die Qualität der öffentlichen Leistungen zu erhalten. Das reicht von Ausbildung, Coaching und flexiblen Arbeitszeiten bis zu Kniffen, um den Wissenstransfer zu sichern.
Viele der pensionsreifen Beamten besitzen Spezialwissen, das schwer ersetzbar ist. Man denke nur an den Wust von ASVG-Novellen, die technischen Besonderheiten im Eisenbahnwesen, den Förderdschungel und vieles mehr. Im Rahmen von Mentoring-Programmen kann ein Interessent außerhalb des Stellenplans ein Jahr lang einen angehenden Ruheständler begleiten und sich dessen Know-how aneignen.
Auch ELAK, die elektronische Akte, verhindert, dass Wissen nur im Kopf gespeichert bleibt und mit in Pension geht. Seit ELAK müssen Beamte ihr Know-how dem Computer anvertrauen. Hartgesottenen Einzelgängern wird zudem Teamwork verordnet, um Mitwisser zu schaffen.
In der Finanzverwaltung, die mit 58 Prozent über 50-Jährigen zu den besonders Angegrauten zählt, kommt ein eigenes Instrument zum Einsatz: Finanzämter in Abwanderungsgebieten werden nicht geschlossen, sondern es wird Arbeit vom überlaufenen Zentralraum dorthin abgetreten („Die Akten wandern zum Personal“). Auf dem Land findet die Finanz oft leichter Mitarbeiter mit passenden Kenntnissen als auf dem umkämpften Wiener Arbeitsmarkt.
Denn bei Finanzwissen, Mathematik und anderen gefragten Fähigkeiten ist der öffentliche Dienst aufgrund schlechterer Bezahlung oft nicht konkurrenzfähig. Da kann der Staat dann nur an den Gemeinsinn appellieren: Wo sonst kann man Vorschläge für Gesetze machen und das Zusammenleben der Gesellschaft mitgestalten? Oder sich in Zukunftsfeldern einbringen?
Jedenfalls steht der Staat den Jungen als Arbeitsplatz derzeit sperrangelweit offen – was auch den Technologiewandel beschleunigen wird: Selbst im (früheren) Digitalisierungsministerium sind 60 Prozent des Personals über 50 Jahre alt. Irgendwie passend zum „Kaufhaus Österreich“.
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