Auf Kreiskys Spuren: "Zum Abendessen gab es immer Flusskrebse"
Am 1. März jährt sich zum 50. Mal jene Nationalratswahl, welche die Ära Kreisky einleitete: Die SPÖ errang 81 von (damals noch) 165 Sitzen und damit die relative Mehrheit. In der Folge bildete SPÖ-Chef Bruno Kreisky eine von der FPÖ (sechs Mandate) gestützte Minderheitsregierung, am 21. April wurde er zum Bundeskanzler ernannt. Bei den Wahlen 1971, 1975 und 1979 erzielte die SPÖ dann jeweils die absolute Mehrheit.
Diesen Jahrestag sowie den 30. Todestag Kreiskys am 29. Juli hat Christoph Kotanko, der ehemalige Chefredakteur des KURIER (2003–2010), zum Anlass für ein Buch genommen: „Kult-Kanzler Kreisky. Mensch und Mythos“.
Kreisky und Klaus
Als einen der das Buch leitenden Grundgedanken nennt Kotanko lapidar: „Er war der klügste Regierungschef, den Österreich je hatte.“ Er verweist aber auch auf die „zeitlose Wirkung“ des „längstdienenden Kanzlers der Zweiten Republik“ – und dann heißt es noch: „Kein Kreisky ohne Josef Klaus“: Der Kanzler der VP-Alleinregierung (1966–1970) habe „Österreichs Reformdefizite erkannt und für seinen Nachfolger eine tragfähige wirtschaftliche Basis gelegt“, schreibt Kotanko.
Bruno Kreisky mit der Chansonsängerin Hildegard Knef
Wertschätzung für Kreisky quer durch alle Schichten
Mit FP-Chef Friedrich Peter (Mitte) und VP-Obmann Karl Schleinzer
Ziehsohn und Vertrauter, später erbitterter Gegner: Hannes Androsch
Freund und Amtskollege: der schwedische Premier Olof Palme
Ein Meister um Umgang mit der Öffentlichkeit
Der Autor zeichnet ein facettenreiches Bild des Ausnahmepolitikers, unterfüttert von zahlreichen Begebenheiten, welche die Person Kreiskys lebendig werden lassen. Legendär ist der souveräne und für die damalige Zeit völlig neue Umgang mit den Medien, mit dem Kreisky auch bürgerlich-konservative Journalisten wie Otto Schulmeister oder Gerd Bacher für sich einnehmen konnte. Auch der langjährige KURIER-Filmkritiker Rudolf John schildert ausführlich, wie ihn in den siebziger Jahren ein – zumal für einen Kulturjournalisten völlig überraschender – nächtlicher Anruf aus dem Bundeskanzleramt ereilte.
Zu den dunklen Seiten von Kreiskys politischem Leben zählt zweifellos die Affäre Wiesenthal. „Kreiskys Umgang mit der NS-Zeit bleibt ein Schatten auf seiner Politik“, urteilt Kotanko klar. Drei Gründe sieht er für Kreiskys Agieren gegenüber Simon Wiesenthal: dass Kreisky die (vom ehemaligen SS-Obersturmführer Friedrich Peter geführte) FPÖ „brauchte, um die ‚bürgerliche Vorherrschaft‘ der ÖVP zu brechen; dass Kreisky kein Interesse an einer Debatte über die NS-Zeit hatte, weil sie auch eigene Wähler betraf; und dass „in der liberalen Selbstwahrnehmung von Kreisky, der sich immer als Agnostiker sah, die Religion, die Wiesenthal derart betonte, keinen Platz hatte“.
Der Triumph 1979
War die Affäre Wiesenthal der moralische Tiefpunkt in Kreiskys politischer Laufbahn, so war die Niederlage bei der Zwentendorf-Volksabstimmung seine bis dahin schwerste politische Schlappe. Geschadet hat ihm beides nicht: Bei den Nationalratswahlen 1979 legte die SPÖ nochmals zu und erreichte mit 51 Prozent und 95 Mandaten das beste Ergebnis, welches je eine Partei (davor und danach) erzielt hat.
Als „Hauptfach“ von Kreiskys Politik bezeichnet Kotanko die Außenpolitik. Hier verschaffte sich der Bundeskanzler Respekt und Ansehen nicht nur bei sozialdemokratischen Amtskollegen sondern etwa auch beim republikanischen US-Außenminister Henry Kissinger.
Eingeleitet wird Kotankos Buch durch ein Vorwort von Heinz Fischer, zwischen die Kapitel eingestreut sind Interviews mit Kreiskys Sekretärin Margit Schmidt, seinem Kabinettschef (und späteren Investkredit-Vorstandsvorsitzenden) Alfred Reiter, mit Ernst Braun, einem einfachen Mitarbeiter des Bundeskanzleramts, sowie mit Journalistenlegende (und Ex-KURIER-Chefredakteur) Hugo Portisch. Letzterer verrät den Lesern: „Jedes Mal, wenn ich bei Kreisky zum Abendessen eingeladen war, gab es Flusskrebse.“
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