Auch im Osten könnte ein Zweitwohnsitz bald teuer werden
Die Mehrheit der Bundesländer bittet bereits die Zweitwohnsitzer extra zur Kasse. Die Ostregion hat bisher davon Abstand genommen. Eine Ansage aus Wien könnte jetzt aber alles ändern
Für die Gemeinden ist es ein leidiges Thema, das vielfach weggeschoben wird, aber dennoch immer wieder auftaucht: die Zweitwohnsitzabgabe. Wie geht man mit jenen Mitbürgern um, die im Ort nur einen Nebenwohnsitz haben? Für die es aus dem Finanzausgleich auch keine Geldmittel gibt, weil sie in einem anderen Bundesland hauptgemeldet sind.
Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg haben für sich schon Lösungen gefunden. Sie heben von den Zweitwohnsitzern eine eigene Abgabe ein. Meist wird diese unter den Tourismusabgaben verbucht.
Die Ostregion – Wien, Niederösterreich und das Burgenland – hat bisher auf solche Zweitwohnsitzerabgaben verzichtet. Das könnte und wird sich aller Voraussicht nach ändern. Seit die Bundeshauptstadt angekündigt hat, ab 2025 alle Nicht-Wienerinnen und Nicht-Wiener mit einer eigenen Abgabe zur Kasse zu bitten, läuten in den übrigen beiden Bundesländern die Alarmglocken. Sie befürchten, dass sie viele Pendler, die unter der Woche in Wien leben, nun ihren Hauptwohnsitz dorthin verlegen. Deswegen wird der Schritt der Wiener Stadtregierung sicherlich zu ähnlichen Reaktionen führen, auch wenn dies derzeit noch niemand öffentlich in den Mund nehmen will (siehe Artikel unten).
Komplizierte Verrechnung
Wie unterschiedlich einige Bundesländer die Zweitwohnsitzabgabe derzeit gestaltet haben, lässt sich am besten am Beispiel von Oberösterreich darstellen. Dort hebt das Land für Wohnräume, in denen länger als 26 Wochen kein Hauptwohnsitz gemeldet ist, eine Freizeitwohnsitzabgabe ein. Diese beträgt für Wohnungen bis 50 Quadratmeter zwischen 90 bis 130 Euro. Für größere Wohneinheiten liegt der Basisbetrag zwischen 130 und 189 Euro pro Jahr.
Die Besonderheit in Oberösterreich: Zusätzlich können auch noch die Gemeinden einen Betrag draufschlagen. Bis zu 150 Prozent unter 50 Quadratmetern, bis zu 200 Prozent für alles, was darüber liegt. Die künftige EU-Kulturhauptstadt Bad Ischl im Salzkammergut etwa hebt zwischen 315 und 567 Euro pro Jahr ein.
Wien: Gesetz nach in Arbeit
Rund 70 Euro pro Jahr – konkret 5,80 Euro pro Monat – sparen sich Wiener Haushalte ab Jänner 2024. So viel macht die bisherige GIS-Landesabgabe aus, deren Abschaffung Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) auf Betreiben des kleinen Koalitionspartners vor drei Wochen verkündeten.
Die Leistungen für Kultur und Altstadterhaltung, für die die Landesabgabe bisher zweckgewidmet war, werden künftig aus dem allgemeinen Budget finanziert.
Gleichzeitig führt die Hauptstadt eine Abgabe für Zweitwohnsitze ein, von der Hauptwohnsitz-Wienerinnen und -Wiener ausgenommen werden. Auf diesem Wege würden künftig auch jene einen Beitrag leisten, die bisher zwar das Angebot und die Leistungen der Stadt – etwa in Form von öffentlichem Verkehr oder Bildungseinrichtungen – in Anspruch genommen hätten, für die jedoch das Land Wien über den Finanzausgleich keine Ertragsanteile erhalte, so die rot-pinke Argumentation.
Details zu der künftigen Regelung liegen jedoch noch keine vor. „Bis Ende November sind noch wesentliche fachliche Abklärungen notwendig bzw. im Laufen. Sobald diese abgeschlossen sind und ein finaler Gesetzesentwurf vorliegt, wird die Begutachtung starten“, heißt es aus Hankes Büro.
Bisher ist lediglich bekannt, dass die Abgabe ab dem Jahr 2025 fällig werden und je nach Wohnungsgröße zwischen 300 und 500 Euro pro Jahr betragen soll.
Niederösterreich: Antrag liegt auf Eis
Im offenen politischen Diskurs ist in Niederösterreich die vom Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) angekündigte Zweitwohnsitzerabgabe noch nicht aufgeschlagen. Hinter den Kulissen sehr wohl.
„Die Details zum Wiener Modell der Zweitwohnsitz-Abgabe liegen noch nicht auf dem Tisch. Daher können wir die Auswirkungen auf Niederösterreich zum aktuellen Zeitpunkt nicht bewerten. Wir kennen die langjährige Forderung der Gemeindevertreterverbände in Niederösterreich nach einer solchen Abgabe“, heißt es aus dem Landtagsklub der Volkspartei NÖ. Ein zurückhaltendes und zugleich richtungsweisendes Statement. Die Zweitwohnsitzer, davon natürlich viele aus Wien, werden in nö. Kommunen als Teilzeitbürger geschätzt, aber doch auch kritisch gesehen. Sie bedeuten Konkurrenz am Wohnungsmarkt, und es gibt für sie fast kein Geld aus Bundestöpfen. Im Rampenlicht standen die Zweitwohnsitzer heuer bei den Landtagswahlen, als sie erstmals nicht mehr wählen durften.
Im nö. Landtag war die Zweitwohnsitzerabgabe aber bereits Thema. Die Grünen stellten den entsprechenden Antrag und verwiesen auf Tirol, Salzburg oder Kärnten, wo es die „Freizeitwohnsitzabgabe“ längst gebe. Der Antrag wurde im Juni im Kommunal-Unterausschuss auf Eis gelegt. „In der ÖVP ist man sich uneinig“, heißt es bei den Grünen.
Als zuletzt im Oktober der nö. Landtag die Abschaffung der GIS-Landesabgabe beschloss, gab es von LH Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) keine Anzeichen, dass sie die fehlenden 41 Millionen Euro über eine Zweitwohnsitzersteuer zurückholen möchte.
Rechtliches
Während man bei einer Anmeldung des Hauptwohnsitzes angeben muss, die Unterkunft zu dem Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen, reicht beim Nebenwohnsitz ein Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen – etwa um dort zu studieren, zu arbeiten oder regelmäßig Freizeit zu verbringen
Spitzenreiter
Aufgerechnet auf die Bevölkerung ist das Burgenland knapp vor Niederösterreich das Bundesland mit den meisten Nebenwohnsitzen. Am wenigsten weist Vorarlberg auf. 1,41Millionen Nebenwohnsitzfälle sind in Österreich (Stand 1. 1. 2023) angemeldet. Das sind 15,5 Nebenwohnsitzfälle pro 100 Hauptwohnsitzfälle. Diese Zahl ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Anfang Jänner 2020 waren es noch etwa 1,23 Millionen bzw. 13,8 Nebenwohnsitz- pro 100 Hauptwohnsitzfälle
Burgenland: „Nicht sehr begeistert“
Die von der rot-pinken Wiener Stadtregierung geplante Zweitwohnsitzabgabe in der Bundeshauptstadt stößt im Burgenland auf wenig Gegenliebe: „Wir sind nicht sehr begeistert“, heißt es aus dem Büro von SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Es sei „nicht ideal, wenn sich die Länder steuerlich hinauflizitieren“. Die rote Landesregierung werde „mit den Wiener Kollegen das Gespräch suchen“. Am Ende könnte es ein Gipfeltreffen Doskozils mit seinem Wiener Amtskollegen und Parteifreund Michael Ludwig brauchen – wiewohl das Verhältnis der beiden roten Granden derzeit eher als unterkühlt bezeichnet werden muss.
Von den knapp 39.000 Burgenländern mit einem Zweitwohnsitz leben etwas mehr als 12.000 zeitweise in Wien – meist zum Arbeiten oder Studieren. Die Befürchtung im Burgenland: Nach der Einführung des flächendeckenden Wiener Parkpickerls im Vorjahr könnte das der nächste Versuch sein, Zweitwohnsitzer dazu zu bewegen, in Wien den Hauptwohnsitz anzumelden. Je mehr Hauptwohnsitzer ein Bundesland habe, umso besser steige es beim Finanzausgleich aus.
Übrigens: Mit Niederösterreich, das ebenso betroffen ist wie das Burgenland, gab es schon ein Treffen auf höchster Ebene zwischen Doskozil und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP).
An eine Retourkutsche gegen Wien denkt man im Burgenland vorerst nicht. Zu holen wäre jedoch einiges, 28.500 Wiener verbringen ihre Freizeit im Burgenland.
Kommentare