Asylgericht: Was hinter dem desaströsen Prüfbericht des Rechnungshofes steckt
Das Bundesverwaltungsgericht habe sein Ziel bislang nicht erreicht, die Verfahren dauern zu lange. Unklar sei laut Prüfbericht zudem, ob die 200 Richter des BVwG für ihre Tätigkeit überhaupt geeignet seien.
„Es ist nicht objektiv und zuverlässig feststellbar, ob tatsächlich eine effiziente und effektive Aufgabenwahrnehmung im richterlichen Bereich sichergestellt war.“
Ein Satz im Bericht des Rechnungshofes zum Bundesverwaltungsgericht (BVwG), der nicht viel Interpretationsspielraum zulässt. Ebenso wenig wie das Fazit der Prüfer: Das Gericht habe das Ziel, Verfahren zu beschleunigen, „bislang nicht erreicht“.
Und das, obwohl der Personalstand seit der Gründung des BVwG um 42 Prozent erhöht wurde. 200 Richter sind aktuell dort tätig. „Nicht ausreichend sichergestellt“ sei übrigens, ob diese tatsächlich für das Richteramt geeignet seien.
BVwG-Richter brauchen keine Richterausbildung, ein einschlägiges Studium und fünf Jahre juristische Berufserfahrung reichen. Der Rechnungshof empfiehlt nun eine Grundausbildung bzw. eine verpflichtende Weiterbildung.
Neun Monate für Asylverfahren
Hauptkritikpunkt der Prüfer ist die Verfahrensdauer: Im Zeitraum 2018 bis 2021 wurde bei fast zwei Dritteln aller Verfahren die gesetzliche Frist von sechs Monaten überschritten. Bei 37 Prozent dauerte es länger als zwei Jahre.
Im Asylbereich dauern die Verfahren im Schnitt 258 Tage – also fast neun Monate. Und genau in diesem Bereich gibt es offenbar die größten Probleme. Warum?
Gericht als Flaschenhals
Fremdenrecht und Asyl machen den Großteil der Arbeit am BVwG aus, das 2014 als Beschwerdeinstanz für den Verwaltungsbereich eingerichtet wurde.
Die große Flüchtlingsbewegung 2015 und 2016 hat zunächst das entsprechende Bundesamt (BFA) überlastet, mit Verzögerung dann das BVwG. Auch, weil dort fast die Hälfte aller Negativbescheide gekippt wurde, wie 2018 über Umwege publik wurde.
In den vergangenen zwei Jahren sind die Asylzahlen wieder gestiegen, und wieder droht das BVwG zum Flaschenhals zu werden. Laut Asylstatistik waren Ende 2022 in erster Instanz rund 48.000 und in zweiter Instanz rund 6.400 Verfahren offen.
Asylamt und Asylgericht sind also eng miteinander verknüpft – über das Asylamt hat der Rechnungshof zuletzt aber ausgesprochen positiv geurteilt: Bei einer „Follow Up“-Überprüfung wurde festgestellt, dass das BFA, das Justiz- und das Innenministerium einen Großteil der Empfehlungen umgesetzt hätten und die durchschnittliche Verfahrensdauer von 21,6 auf 3,9 Monate verringert worden sei.
„Erfolgreiche Arbeit“
Die Reaktion des BVwG ist schlichtweg skurril: Der Bericht des Rechnungshofes „bestätigt im Wesentlichen die erfolgreiche Arbeit des BVwG“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Es wird darauf hingewiesen, dass pro Geschäftsjahr fast 25.000 Verfahren erledigt würden. Das Ziel, die Sechs-Monats-Frist einzuhalten, „rückt immer näher“.
Zugegeben, das BVwG befindet sich in einer schwierigen Phase: Der Prüfbericht fällt noch in die Amtszeit von Harald Perl, der im Dezember 2022 pensioniert wurde. Laut türkis-grünem Sideletter sollte sich die ÖVP einen neuen Präsidenten aussuchen dürfen. Als das bekannt wurde, wollte freilich keine der Regierungsparteien mehr etwas davon wissen.
Im Beamtenministerium von Vizekanzler Werner Kogler wird betont: „Es gelten die gesetzlichen Vorgaben.“ Die zuständige Personalkommission habe kürzlich ihr Gutachten übermittelt.
Wer nun Präsident wird und sich mit der Rechnungshof-Kritik auseinandersetzen muss, dürfte demnächst im Ministerrat beschlossen werden.
Untenstehende Grafik ist im Prüfbericht zu finden.
Dazu heißt es: "Trotz des deutlichen Rückgangs des jährlichen Verfahrensanfalls seit 2017 und der gleichzeitigen Erhöhung des Personalstands
bestand am Ende des Geschäftsjahres 2021 immer noch ein Rückstand der insgesamt offenen Verfahren etwa in Höhe des jährlichen Verfahrensanfalls der Jahre 2020 und 2021 (ca. 15.000 Verfahren) und
entschied das BVwG die überwiegende Zahl der Verfahren (63 %) erst nach mehr als sechs Monaten, obwohl es gesetzlich verpflichtet war, grundsätzlich binnen sechs Monaten über Beschwerden zu entscheiden. In 37 % dauerten die Verfahren – vor allem im Rechtsbereich Asyl– und Fremdenrecht – sogar mehr als zwei Jahre.
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