Dürfen syrische Flüchtlinge noch in Österreich bleiben?

Dürfen syrische Flüchtlinge noch in Österreich bleiben?
Die politische Situation in Syrien hat sich nach dem Sturz von Assad verändert, Flüchtlinge könnten nun ihren Asylstatus verlieren.

Syriens Diktator Bashar al-Assad ist gestürzt. Rund 30.000 Menschen – größtenteils syrische Staatsbürger – feierten am Sonntag kurzfristig in Wien. Denn die meisten Syrer, die seit Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 nach Österreich kamen, flohen vor dem brutalen Assad-Regime. Dieses ist Geschichte. Müssen die Syrer nun also in ihr Herkunftsland zurückkehren?

Österreich hat vorerst sämtliche Asylverfahren von Syrern ausgesetzt, wie das Innenministerium (BMI) bekannt gab. Es handle sich um 7.300 offene Verfahren, auch der Familiennachzug sei vorerst gestoppt worden. Der logische Grund: Die politische Lage in Syrien hat sich verändert. Das BMI beobachte und analysiere die Situation, um die Fälle neu bewerten zu können, heißt es.

Bei einer Neubewertung der Lage geht es nicht nur um laufende Asylverfahren, sondern auch um Asylberechtigte. Rund 95.000 syrische Staatsbürger wohnen derzeit in Österreich. Die meisten haben einen positiven Asylstatus. Etwa, weil ihnen bei einer Rückkehr nach Syrien Verfolgung durch das Assad-Regime gedroht hätte. Wie geht es für Sie jetzt weiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was passiert, wenn der Asylgrund wegfällt?

Wenn sich die politischen Verhältnisse im Herkunftsland wesentlich ändern, können auch die Fluchtgründe wegfallen. Dann ist von Amts wegen ein Aberkennungsverfahren gegen Asylberechtigte einzuleiten. "Sollten die Fluchtgründe wegfallen, werden immer Aberkennungsverfahren eingeleitet. Das ist Alltagsbusiness", sagt Asylrechtsexperte Lukas Gahleitner-Gertz dem KURIER. Derzeit gebe es rund 95.000 syrische Schutzberechtigte in Österreich, 2012 waren es weniger als 1.000. "Der Großteil dieser Menschen hat als Fluchtgrund das diktatorische Assad-Regime angegeben", sagt Gahleitner-Gertz.

Was muss passieren, damit die Fluchtgründe wegfallen und Aberkennungsverfahren eingeleitet werden? 

"Die Situation in Syrien muss sich nachhaltig verbessert haben", sagt Gahleitner-Gertz. Ob das passieren wird, könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös beurteilt werden. "Es hängt zum Beispiel davon ab, ob es zu nachhaltigen Änderungen im syrischen Staat kommt und nicht etwa dasselbe System unter anderem Namen weitergeführt wird."

Bedeutet das, dass Betroffene dann automatisch heimkehren müssen?

Nein. Es könne „leider passieren, dass sich die Sicherheitslage in Syrien noch weiter verschlechtert“, sagt Gahleitner-Gertz. Etwa, wenn es wieder zu Kämpfen zwischen den verschiedenen, teils islamistischen Rebellengruppen kommen sollte. Sollte der syrische Bürgerkrieg wieder eskalieren, kann ein Syrer ohne Asylgrund Recht auf subsidiären Schutz erhalten. Dieser liegt dann vor, wenn das Leben oder die Unversehrtheit eines Betroffenen im Falle einer Rückkehr ins Heimatland gefährdet ist. 

Wie Asylberechtigte haben subsidiäre Schutzberechtigte vollen Zugang zum Arbeitsmarkt. Ob ein Recht auf subsidiären Schutz vorliegt, muss bei einem Aberkennungsverfahren des Asylstatus überprüft werden. Selbiges gilt für den Sonderstatus des humanitären Bleiberechts. Syrer, die in den österreichischen Arbeitsmarkt integriert sind oder sich etwa ein privates Umfeld aufgebaut haben, könnten auch aus diesen Gründen bleiben.

Was geschieht, wenn gar kein Schutzstatus und auch kein Bleiberecht mehr vorliegt?

Dann kann Österreich die entsprechenden Personen abschieben. „In diesem Zusammenhang habe ich das Ministerium beauftragt, ein geordnetes Rückführungs- und Abschiebeprogramm nach Syrien vorzubereiten“, sagt Karner. Der Verfassungsgerichtshof  (VfGH) stellte Anfang Oktober fest, dass Abschiebungen nach Syrien grundsätzlich vertretbar seien. Dieser Spruch sei nun „Schall und Rauch“, sagt Gahleitner-Gertz mit Verweis auf die veränderte Situation vor Ort. Der VfGH urteilte damals im Fall eines 33-jährigen Syrers und schlussfolgerte, die Lage in Damaskus sei nicht instabil.

Wie realistisch ist es, dass Österreich viele Syrer rückführen wird?

„In der Realität werden wir nicht viele Abschiebungen nach Syrien sehen“, sagt Gahleitner-Gertz, der für die NGO Asylkoordination Österreich tätig ist. In der Community in Österreich gebe es aber eine gewisse Rückkehrbereitschaft. Heißt: Es ist gut möglich, dass viele Syrer nun freiwillig heimkehren. „Grundsätzlich steht es jedem frei, freiwillig in die Heimat zurückzukehren und beim Wiederaufbau des eigenen Landes mitzuwirken“, sagt Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).

Kommentare