Hat Österreich zu wenig qualitative Zuwanderung?
Ein Ansatz: zusätzliche Fachkräfte ausbilden. Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) verkündete am Mittwoch, im Studienjahr 2025/26 die FH-Studienplätze in stark gefragten Branchen von 350 auf 700 zu verdoppeln. Eine österreichische Lösung reiche aber nicht, sagt Neos-EU-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter. Er fordert EU-weite „Bildungsfreiheit“ – über die Ausweitung des Studierendenprogramms Erasmus+ für digitale und grüne Branchen sowie eine schnellere Anerkennung von beruflichen Ausbildungen.
Weitere Optionen: eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters und qualitativer Zuzug. Über die Rot-Weiß-Rot-Karte und die blaue Karte der EU stellten 2023 11.000 Ausländer Anträge auf Arbeitsbewilligung in Österreich – was offensichtlich nicht reicht.
Vollzeit stagniert, Teilzeit voll im Trend
Warum fehlen in Österreich so viele Arbeitskräfte? Erstens gehen viele Babyboomer in Pension, zweitens treten Österreicher im EU-Vergleich besonders früh den Ruhestand an, drittens sinkt die Arbeitszeit. 2023 waren 81,4 Prozent der offenen Stellen Vollzeit- und nur 15,8 Prozent Teilzeitstellen.
Laut Statistik Austria arbeiten die Hälfte der Frauen und 13,4 Prozent der Männer Teilzeit. „Der Teilzeit-Trend zeigt weiterhin nach oben“, sagt Ökonom Dénes Kucsera vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria. Obwohl die Anzahl der Beschäftigten in den vergangenen 20 Jahren um rund 800.000 Personen gewachsen ist, stagnierte jene der Vollzeit-Beschäftigten bei rund drei Millionen. Die Zahl der Teilzeitkräfte hat sich seitdem fast verdoppelt.
Menschen wollen nicht mehr, sondern weniger arbeiten
Und: Nur 16 Prozent der Männer und 14 Prozent der Frauen in Teilzeit wollen länger arbeiten. Unter den Vollzeit-Beschäftigten wünschen sich wiederum 20 Prozent der Männer und 25 Prozent der Frauen weniger Arbeitsstunden. Jüngere Frauen geben in Umfragen vor allem die Kinderbetreuung als Grund an. „Aber auch unter kinderlosen Frauen ist die Teilzeitquote höher als bei Männern“, sagt Kucsera.
Schlechte Nachricht im Kampf gegen den Arbeitskräftemangel: Frauen und Männer wollen prinzipiell seltener Vollzeit arbeiten und sind mit ihrer Arbeitszeit meist zufrieden. „Das ist wirklich problematisch. Es ist schwierig, solche Präferenzen zu ändern“, sagt Kucsera. Er schlägt Steuersenkungen vor. Derzeit zahlt sich längeres Arbeiten kaum aus. Verdoppelt eine 20-Stunden-Kraft ihr Pensum auf 40 Wochenstunden, steigt der Nettolohn um nur 60 Prozent – einer der geringsten EU-Werte. In Schweden oder Dänemark beträgt die Lohnsteigerung bei doppelt so viel Arbeitszeit rund 85 Prozent.
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