Bleibt Andreas Babler Parteichef? Am Tag nach der Nationalratswahl ist das für Außenstehende die nachgerade logische Frage.
Immerhin hat die Sozialdemokratie mit Stand Montag nicht nur zum ersten Mal in ihrer Geschichte nur Platz 3, sondern mit vorläufig 21,05 Prozent auch ihr historisch schlechtestes Wahlergebnis von 2019 (21,18%) unterboten.
Die Logik – und auch Diskussion – in der Sozialdemokratie ist eine etwas andere. Montagmittag tagten sowohl Parteipräsidium als auch Vorstand.
Wiener SPÖ ist gestärkt
Die Wiener SPÖ ist durch den Wahlsonntag eindeutig gestärkt (warum das so ist, dazu später mehr). Und unter ihrer Federführung kamen wesentliche Kräfte in der Partei bei Telefonaten schon Montagfrüh zu folgendem Schluss: Die SPÖ kann sich jetzt keine Vorsitz-Debatte oder einen Vorsitz-Wechsel leisten.
Warum? Weil dies die Sondierungs- und Koalitionsgespräche gefährden würde. Vor allem die Wiener SPÖ und Teile der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter drängen darauf, dass die SPÖ wieder Regierungsverantwortung übernimmt.
Auffallend klar und sehr rasch, nämlich noch am Wahlabend, hat Wiens SPÖ-Chef Michael Ludwig klar gemacht, dass die SPÖ selbstverständlich regieren soll.
Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil will weder eine Personaldebatte führen, noch will er sich an den Debatten auf Bundesebene beteiligen oder diese kommentieren: "Es sind jetzt andere Kräfte in der Sozialdemokratie am Werk und verantwortlich", meint er Richtung Wien und Babler.
Routiniertes Verhandlungsteam
Allein der Zeitdruck bedingt, dass man demnächst ein Verhandlungsteam nominiert, dem Babler nicht nur angehört, sondern das er führt. Und so kam es dann auch.
"Wir haben das Ergebnis analysiert und unsere Schlüsse gezogen", sagte der SPÖ-Vorsitzende Montagnachmittag im Anschluss an die Gremien-Sitzung.
Geeinigt hat man sich am Montag im SPÖ-Präsidium auf das fünfköpfige Team, das in etwaige Sondierungsgespräche gehen soll. Diesem gehören neben Babler selbst die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, Klubobmann Philipp Kucher, Frauensprecherin Eva Maria Holzleitner und ein Vertreter der Gewerkschaft an, sagte Babler nach dem Zusammentreffen des Parteipräsidiums. Am wahrscheinlichsten sind Wolfgang Katzian oder Beppo Muchitsch.
Darüber hinaus habe man einen Entschluss gefasst, "ab Tag eins" strukturell in jenen Gemeinden die Arbeit aufzunehmen, wo die SPÖ besonders schwach und die FPÖ stark war. "Was wir brauchen ist eine stärkere SPÖ im ländlichen Raum", so Babler.
Und: Die SPÖ soll vorerst ohne "Koalitionsbedingungen" wie Vermögens- oder Erbschaftssteuern in mögliche Verhandlungen gehen, heißt es aus dem roten Gremium zum KURIER. Doskozil ist im Gegensatz zur Wiener SPÖ übrigens der Ansicht, "dass dieses Ergebnis mit Sicherheit kein Regierungsauftrag ist."
Die SPÖ als Stadtpartei
Mindestens ebenso spannend wie die Frage des Parteivorsitzes ist die, wie es zu dem Ergebnis kommen konnte. Denn hier zeigt sich: Die Ergebnisse der SPÖ sind von Bundesland zu Bundesland auffallend verschieden:
So fährt die SPÖ die höchsten Zugewinne in Wien (+2,78 %) und Tirol (+2,26 %) ein, verzeichnet aber vergleichbar hohe Verluste in Kärnten und dem Burgenland. Dabei zeigt sich ein relativ klares Bild: Die SPÖ konnte teilweise stark in den Innenstädten, insbesondere in den inneren Wiener Bezirken, dazugewinnen. Dabei hat sie laut der Wählerstromanalyse von Foresight im Vergleich zu 2019 die Grünen teilweise abgeräumt.
148.000 Personen, respektive 14 Prozent ihrer Wähler, konnte die SPÖ von den Grünen dazugewinnen. Gleichzeitig verlor sie 180.000 Stimmen an die Nichtwähler und 65.000 an die FPÖ. Hohe Verluste verzeichnete die SPÖ in industrielastigen Bezirken wie Bruck-Mürzzuschlag (-4,47 %), den kleineren Arbeiterstädten oder den Wiener Flächenbezirken Favoriten und Simmering.
Prinzipiell dürfte es so sein, dass Babler vor allem im städtischen, akademisch geprägten Milieu stark mobilisieren konnte – während die SPÖ im ländlichen Bereich und in der Arbeiterschaft noch einmal Wähler verloren hat.
Doskozil kritisiert Prioritätensetzung
Die SPÖ versuchte im Wahlkampf ihr inhaltliches Profil vor allem beim Thema Klimaschutz zu schärfen, während sie ihre Asyl- und Migrationslinie weitestgehend beibehielt. Dass das eher der Wiener SPÖ geholfen hat, ist durchaus naheliegend. Bürgermeister Michael Ludwig machte sich zuletzt für das EU-Renaturierungsgesetz stark und verkündete ein Wiener Klimaschutzgesetz.
Die Wiener SPÖ hat das Thema „Klimaschutz“ als höhere Priorität ihrer Wählerschaft identifiziert als die Migrationsfrage. Bablers Wahlkampf war insofern im Sinne der Bundeshauptstadt, aber nicht im Sinne der anderen SPÖ-Länder.
"Der Andreas Babler ist keine Wundertüte. Wir haben genau gewusst vor einem Jahr, was die Programmatik ist und auf uns zukommt", bilanziert Doskozil. In den Ländern werde man nun überlegen, wie man wieder "von diesem Wähleraustausch mit den Grünen" wegkommen könnte. Das sei nicht zielführend.
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