Altkanzler Vranitzky kritisiert Schlingerkurs der SPÖ
Er war im ORF-"Report" und im Ö1-"Morgenjournal", um seine Meinung über das "dramatisch schlechte Abschneiden" des SPÖ-Hofburg-Kandidaten Rudolf Hundstorfer in Worte zu fassen. Am Montagabend erklärte der SP-Altkanzler Franz Vranitzky, der auch Leiter des Personenkomitees von Hundstorfer war, dass er es für durchaus sinnvoll halte, den für Oktober angesetzten Parteitag der Sozialdemokraten vorzuziehen. Der vierte Platz des roten Hofburg-Kandidaten könnte die Partei in einen "Schwebezustand" versetzen.
Kritik an mangelnder Unterstützung
Einen Tag danach beklagt Vranitzky im Ö1-"Morgenjournal" die mangelnde Unterstützung für Hundstorfer. Dem SPÖ-Debakel bei der Bundespräsidentschaftswahl liege zwar eine Mischung unterschiedlichster Faktoren zugrunde, aber in einer "so großen Partei wie der SPÖ ist es wichtig zu hinterfragen, warum die breite Unterstützung für Hundstorfer ausgeblieben ist".
Für den gebürtigen Wiener hatte Hundstorfer gute Voraussetzungen für den Einzug in die Hofburg. Er sei ein erfolgreiches Regierungsmitglieder gewesen, integer und "klar im Ausdruck". Das Problem sei aber, dass man mit seinen Voraussetzungen nicht alleine auf der Wiese stehe. Printmedien hätten eine Anti-Regierungs-Propaganda betrieben, sagt er. - "nahezu ausnahmslos".
Ein weiterer Grund für die Niederlage der Regierungsparteien sei die Linie der FPÖ gewesen. "Die Freiheitlichen haben mit Rechtspopulismus, Ausländerfeindlichkeit und Europafeindlichkeit bei der Bevölkerung gepunktet", analyisert Vranitzky.
Erfolg von Griss bemerkenswert und bedenklich
Auf den Erfolg der unabhängigen Kandidatin Irmgard Griss angesprochen, kommentierte der Altkanzler, dass er diese "Erscheinung" zugleich bemerkenswert und bedenklich sei: "Es wirft ein schlechtes Licht - nicht auf die alten Herren mit grauem Anzug -, sondern auf die Regierung. Das muss den Großparteien zu denken geben."
Was sagt Vranitzky zu den Personaldebatten in der SPÖ? "Wenn ein Wahlergebnis so drastisch ausfällt wie am Sonntag, dann ist es natürlich, dass Stimmen laut werden, die auch personelle Konsequenzen fordern." Er werde sich im Gegensatz zu Ferdinand Lacina (Ex-SPÖ-Finanzminister) nicht an der Diskussion beteiligen, vor allem nicht in der Öffentlichkeit. "Weil ich weiß, dass es wenig Aussicht auf Erfolg gibt, wenn mit Erfolg eine Veränderung gemeint ist." Seiner Meinung nach führe die Diskussion eher zu verhärteten Fronten und zu "jetzt erst recht-Einstellungen".
"Wir borgen uns eine Rodel aus und gehen damit ins Hallenbad."
Überrascht zeigt sich der ehemalige Bundeskanzler von den Aussagen der SPÖ. "Zuerst hieß es: 'Wir müssen uns verändert.' Und dann: 'Wir machen weiter wie bisher.' Das klingt nach: Wir borgen uns eine Rodel aus und gehen damit ins Hallenbad", kritisiert Vranitzky den Schlingerkurs der SPÖ.
Anstatt sich mit langandauernden Analysen und Schuldzuweisungen zu beschäftigen, müsse man die Zeit nutzen. "Der Bürger erwartet eine klare Strategie und die muss eine Vorwärtsstrategie sein." Zum Beispiel könnte sich die Partei der Wirtschaft und dem Arbeitsmarkt annehmen. "Das sind ja keine Themen von heute, die hätte man bereits gestern klären müssen", sagt Vranitzky.
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