Nimmt man Corona in den kleinen Ortschaften des Bezirks nicht ernst? Trägt hier keiner Maske? Werden am Ortsplatz noch immer Feste gefeiert?
Einmal durch Haslach gefahren, wird klar: Nein, all das ist nicht der Fall. Nur wenige Menschen sind überhaupt auf der Straße unterwegs, die meisten von ihnen tragen auch draußen einen Mund-Nasen-Schutz. Die Kirche ist leer.
In die einzige Trafik im Ortszentrum dürfen maximal zwei Personen gleichzeitig hinein. Draußen bildet sich eine kleine Schlange, weil sich hier auch die Menschen aus den umliegenden Ortschaften mit Zigaretten und Zeitungen versorgen.
Eine der Wartenden erzählt, sie habe keine Angst mehr vor dem Virus, das sie schon gehabt hätte. „Wir haben alles getan, damit wir unsere alte Mutter nicht anstecken“, erzählt sie. „Und dann hat sie uns angesteckt“.
Wo die Mutter sich infiziert hat? „Das wissen wir beim besten Willen nicht.“
Dass die Ansteckung zu einem großen Teil in den Familien passiert, glaubt auch der Haslacher Bürgermeister Dominik Reisinger. „Bei uns im oberen Mühlviertel ist das anders als in der Stadt. Hier wohnen oft mehrere Generationen in einem Haushalt zusammen, und die Familien sind viel größer“, sagt er.
Auch der soziale Zusammenhalt sei ein anderer. Während man in der Stadt seine Nachbarn oft nicht einmal kenne, würde man hier engen Kontakt pflegen und sich um einander kümmern. „Das ist ja eigentlich etwas Gutes“, sagt Reisinger. „Nur jetzt, in dieser Situation, eben gerade nicht.“
Da ein großer Teil der Bevölkerung zur Arbeit in den oberösterreichischen Zentralraum pendle, kann der SPÖ-Bürgermeister und Bundesrat Reisinger sich auch vorstellen, dass viele Ansteckungen dort passiert sind und mit nach Hause gebracht wurden.
Eine andere Theorie hat Freddy Baier. Er ist einer der Wirte im Ort. Während normalerweise gelte „keine Feier ohne Baier“, bietet er jetzt Essen zum Mitnehmen an – Grillhendl, Hascheeknödel und Schweinsbraten. „Wir haben in der Gastro das ganze Jahr extrem aufgepasst“, erklärt er.
Wegen der vorgeschriebenen früheren Sperrstunde seien viele Feiern aber in privaten Räumlichkeiten abgehalten worden. Dafür gibt es im Mühlviertel sogar ein eigenes Wort. „Hittna“ – dort hätten sich dann teils 30 bis 40 Personen auf engstem Raum getroffen, schildert Baier.
Auch der 26-jährige Haslacher Musiker Jakob Busch glaubt, dass sich vor allem junge Leute in den vergangenen Monaten zu privaten Feiern getroffen haben. Das sei auch verständlich, denn gerade für die unter 18-Jährigen sei das Partyverbot hart.
Er selbst habe sich mit seinen Freunden mit Online-Rommé durch den Lockdown gerettet oder an seiner neuen Single gearbeitet, die Anfang 2021 erscheint. Gerade als Musiker fehlen ihm aber Live-Auftritte und Konzerte, erzählt er.
Dass die Menschen trotz Lockdowns feiern, sei kein Mühlviertler Spezifikum, erklärt Doris Eiböck. Ihr gehört die Apotheke, eines der wenigen Geschäfte, das offen haben darf und in dem die Einwohner sich deshalb mit der Pharmazeutin über alles Mögliche austauschen. „Ich glaube, dass es seit dem Sommer zu wenig medizinische Information in den Medien gibt“, sagt Eiböck. Darum würden die Menschen sich teils zu sorglos verhalten.
Aus dem Nachbarort hat die Apothekerin etwa von der Feier eines Fußball-Vereins gehört, bei der es zu einer Cluster-Bildung kam, nachdem die Spieler nacheinander aus einem Pokal getrunken hatten.
Geschichten wie diese gibt es im Ort viele, denn auch das Vereinsleben ist hier von „Musi“ bis Bürgergarde extrem ausgeprägt.
Sei Ende November hat sich das Infektionsgeschehen im Bezirk zunehmend beruhigt. Trotzdem hat das Virus auch in Haslach verheerende Schäden hinterlassen. So ist etwa die Arbeitslosigkeit stark angestiegen. Und: „Der Ort lebt nicht zuletzt von seiner Kulturszene“, sagt Christina Leitner vom Verein Textile Kultur Haslach.
Heuer hätte der Stillstand in diesem Bereich große finanzielle wie emotionale Lücken hinterlassen. In normalen Jahren hole etwa der Webermarkt hunderte Touristen in den Ort, die die lokale Wirtschaft ankurbeln. Heuer wurde er abgesagt. Dabei wären die Haslacher in der Welt doch viel lieber für die Webkunst bekannt, als für die Rekord-Infektionen im Bezirk.
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