Alma Zadić über das Ibiza-Video: "Der VfGH muss entscheiden"
KURIER: Frau Zadić, machen wir es konkret: Ministerin Elisabeth Köstinger war nach der Geburt ihres Kindes mit „Bodyshaming“ im Netz konfrontiert, weil man ihre Figur herabwürdigte. Sie bekommen im Jänner Ihr erstes Kind. Da ist das neue Gesetz schon in Kraft. Wie könnten Sie sich künftig gegen ähnliche Beleidigungen wehren?
Alma Zadić: Mit dem neuen Gesetz kann man nicht nur gegen Beleidigungen und Herabwürdigung vorgehen, wenn diese auf öffentlichen Plattformen stattfinden, sondern auch, wenn man persönliche Nachrichten etwa via Whatsapp oder Facebook-Messenger bekommt. Dafür füllt man das Formular auf der Justiz-Homepage aus, fügt die Screenshots von den Nachrichten bei und schickt es dem Bezirksgericht. Das Bezirksgericht entscheidet dann innerhalb weniger Tage. Mit dieser Entscheidung kann man den Täter dazu zwingen, das Posting zu löschen.
Die Löschung einer persönlichen Nachricht bringt ja nichts, denn die Nachricht kann ohnehin nur die Betroffene lesen ...
Es ist ein Unterlassungsauftrag. Das heißt, der Täter muss es löschen und darf es nicht wiederholen. Außerdem muss der Täter die Gerichtsgebühren dafür zahlen. Passiert es mehrmals, wird es teuer. Das ist sehr wohl eine Abschreckung.
Die Bezirksgerichte sind überlastet. Wie garantieren Sie, dass die Entscheidungen im Eilverfahren passieren?
Das wird natürlich ein Mehraufwand sein. Wir rechnen damit, dass etwa 800 bis 1000 Anträge das Bezirksgericht erreichen werden. Im Prozedere für dieses Eilverfahren haben wir uns an die Mahnverfahren: Der Zahlungsbefehl vom Gericht kommt sehr rasch. Durch das standardisierte Formular kann der Richter rasch abwägen, ob eine Verletzung der Menschenwürde vorliegt.
Bietet das neue Gesetz nicht gerade bei Rosenkriegen eine neues Instrument, um den Ex-Partner zu traktieren?
Wenn der Täter der Meinung ist, seine Nachricht oder sein Posting fällt unter die freie Meinungsäußerung, kann er dagegen Beschwerde erheben und es kommt zu einem gerichtlichen Verfahren.
Sie wurden bejubelt, als Sie Sektionschef Christian Pilnacek entmachteten. Nun übernimmt Pilnacek die Sektion Straflegistik. War das ein Friedensangebot an die ÖVP, die bei der Abberufung verärgert war ...
Das hat nichts mit der Koalition zu tun. Sektionschef Pilnacek ist ein ausgezeichneter Legist, mit dem ich beispielsweise im Zusammenhang mit dem neuen Gesetz „Hass im Netz“ gut zusammengearbeitet habe. Er wurde von der unabhängigen Bewertungskommission, einstimmig als Bester gereiht. Grund für die Zweiteilung der früheren Strafrechtssektion war, eine Gewaltentrennung herzustellen. Denn die Vermischung von Legistik und Einzelstrafsachen war problematisch. Die Vermischung führt dazu, dass ein Sektionschef einerseits mit Stakeholdern und mit Abgeordneten reden muss, gleichzeitig aber darüber entscheiden muss, ob gegen den Stakeholder oder gegen den Abgeordneten unter Umständen Anklage erhoben wird. Egal, wer an der Spitze jener Sektion gestanden wäre, wäre früher oder später in die Kritik geraten.
Die Korruptionsstaatsanwaltschaft steht unter Kritik. Allein die Causa Buwog dauert schon 11 Jahre. Hat die neue Sektionschefin Barbara Göth-Flemmich hier nicht akuten Handlungsbedarf?
Es gibt einige Verfahren wie Buwog oder auch Eurofighter, die wegen der Dauer des Verfahrens in Kritik geraten sind. Das nehmen wir Ernst. Die neue Sektionschefin Barbara Göth-Flemmich und ich haben uns beide zum Ziel gesetzt, dass wir die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft stärken wollen. Wir werden uns daher anschauen, welche Berichte der Staatsanwälte notwendig sind und welche nicht. Im Herbst starten wir einen Arbeitsprozess, bei dem Oberstaatsanwaltschaft und WKStA eingebunden sind. Hier wollen wir evaluieren, wo wir besser und schneller werden können, um einen neuen Weg zu beschreiten, vor allem um Großverfahren straffer zu organisieren.
Der KURIER hat Einsicht in das Ibiza-Video bekommen. Der Ibiza-U-Ausschuss tobt nun, da man nur das Transkript mit geschwärzten Passagen bekommt. Wird das Justizministerium einlenken?
Ich bin selbst im BVT-U-Ausschuss gewesen und verstehe, dass die Abgeordneten sehr rasch alle Unterlagen bekommen möchten. Spätestens mit der nächsten Lieferung wird das Transkript geliefert. Aber der Gesetzgeber schreibt der Justiz vor, dass nur das in den Akt aufzunehmen ist, das strafrechtlich relevant ist, und das, was im Ermittlungsakt ist, wird selbstverständlich auch an den U-Ausschuss geliefert. Sollte es ungeklärte rechtliche Fragen geben, dann muss der VfGH entscheiden.
Für das Justizministerium ist eine Ministerin mit Baby nichts Neues. Karin Gastinger (BZÖ) würde auch Mama in der Amtszeit. Sie hat das Baby mit ins Ministerium genommen. Wie werden Sie es nach der Geburt managen?
Mein Mann und ich freuen uns wahnsinnig auf unser erstes Kind. Wir haben uns beide ausgemacht, dass ich die ersten Wochen beim Baby bleiben werde. Nach den ersten paar Wochen übernimmt mein Mann die Betreuung unseres Kindes. Er wird in Karenz gehen.
Ins Ministerium werden Sie das Baby nicht mitnehmen?
Meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen freuen uns schon sehr darauf, das Baby kennenzulernen. Alles andere lassen wir uns auf uns zukommen, da gibt es viele Vorbilder, die das bereits sehr gut gemanagt haben.
Spitzenpolitikerinnen mit Baby sind rar. Warum?
Es ist eine spannende und sicher keine einfache Herausforderung, aber gleichzeitig sollte es ein natürlicher Prozess sein, dass Frauen in Führungspositionen Kinder bekommen. Männer in Führungspositionen bekommen ja auch Kinder. Aber es ist noch lange nicht selbstverständlich und wird immer noch hinterfragt, ob beides vereinbar ist.
In Österreich gibt es keine gesetzlichen Rahmenbedingungen für weibliche Regierungsmitglieder. Ist das nicht steinzeitlich?
Es existieren bereits Parlamente, wo Abgeordnete in Karenz gehen können. Ob das auch in Österreich möglich sein soll, muss das Parlament entschieden. Bei einer Ministerin ist das schwieriger, denn bin ich ja auch in einer Funktion. Aber ich bin auch privilegiert, weil ich mir die Unterstützung holen kann, die ich brauche, um dieses Amt weiterhin mit voller Kraft ausüben zu können. Viele andere werdende Mütter können das nicht.
Sie sind als Flüchtlingskind nach Österreich gekommen. Was will man mit so einer Lebensgeschichte dem Kind mitgeben?
Das ist eine gute Frage. Es heißt immer, dass Kinder mehr spüren, als man jemals sagt. Ich bin überzeugt, dass mein Kind auch spüren wird, woher seine Mutter kommt und was ich gemacht habe, mehr als ich jemals in Worte fassen kann.
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