„Österreich ist einer der EU-Mitgliedstaaten, die derzeit unter dem stärksten Migrationsdruck stehen“, sagte die Kommissarin aus Schweden. Und sie gestand ein: „Viele der über diese Route ankommenden Migranten brauchen keinen internationalen Schutz.“
Von Litauen bis Portugal, von Zypern bis Polen – alle EU-Innenminister waren sich gestern einig, dass das europäische Asyl- und Migrationssystem nicht funktioniert. „Wir haben in Österreich eine unerträgliche Situation“, sagte Karner. Allein heuer habe Österreich über 100.000 Aufgriffe festgestellt, davon 75.000 nicht registrierte Migranten, „obwohl wir ein Binnen-EU-Land sind. Das heißt, da funktioniert etwas nicht im System.“
Worauf Österreich besonders pocht, ist ein wirkungsvollerer Schutz der EU-Außengrenzen. Fünf Forderungen übergab Karner gestern EU-Kommissarin Johansson, die versprach, einige der österreichischen Vorschläge in den „Balkan-Aktions-Plan“ aufzunehmen.
Wobei sich eine Forderung Karners, die auch Kanzler Karl Nehammer schon mehrmals erwähnte, als äußerst problematisch erweisen dürfte: eine Zurückweisungsrichtlinie. Dabei soll es gar keine Einzelfallprüfung für Migranten aus Ländern mehr geben, die keine Chance auf Asyl haben. „Dann hätten wir keine Situation wie heuer in Österreich mehr, wo wir 15.000 Asylanträge aus Indien hatten. Im Vorjahr waren es 200“, sagt Karner. Und bisher habe es keinen einzigen positiven Bescheid dazu gegeben. „Wir könnten uns so Tausende Registrierungen ersparen.“
EU-Rechtsexperten geben diesem Vorstoß des Innenministers aber keine Chance: Diese Forderung stehe im Widerspruch zum europäischen Grundrecht. „Jeder Mensch hat Anspruch auf Prüfung seines Antrages“, sagt ein EU-Diplomat zum KURIER. Als schwierig gilt auch der Vorschlag, „sich am Beispiel Dänemarks zu orientieren“: Kopenhagen plant ja, Asylverfahren nicht mehr im eigenen Land abzuwickeln, sondern nach Ruanda auszulagern.
Mehr Entgegenkommen dürfte Karner gegenüber seiner Forderung erfahren, wenn es darum geht, den Einsatz österreichischer Beamter etwa an der serbisch-ungarischen Grenze aus den Fördertöpfen der EU zu bezahlen.
Konkrete Beschlüsse standen gestern beim Sondertreffen der europäischen Innenminister nicht auf dem Programm. Diese sind erst Anfang Dezember zu erwarten.
Schengen-Erweiterung
Dann dürfte auch über die Schengen-Erweiterung um Bulgarien, Rumänien und Kroatien abgestimmt werden. Wobei Karner bei seiner ablehnenden Haltung bleibt: „Ich halte es für Österreich nicht für sinnvoll, dass man ein System, das nicht funktioniert, noch vergrößert.“ Ob er von seiner Ablehnung so wie Kanzler Nehammer Kroatien ausnehme, wollte der Innenminister gestern nicht beantworten.
Österreich hat sich dem Schengen-Abkommen 1995 angeschlossen. Doch Bayern blockierte „wegen Sicherheitsbedenken“. Erst drei Jahre später klappte es.
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