Wie teuer wird das Schnitzel? Agrarminister Totschnig über steigende Lebensmittelpreise
Der neue Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (47) ist als eines von sechs Kindern auf einem Bauernhof in Lienz aufgewachsen. Totschnig hat sein Berufsleben fernab der Osttiroler Berge als Fachreferent in Wien verbracht, praktizierender Bauer ist er nicht. Der elterliche Hof wird von seinem älteren Bruder geführt, der vier Kinder hat.
„Der Hof ist ein sehr erfolgreicher Milchviehbetrieb mit 35 schwarz-bunten Kühen in einem Laufstall. Wir sind sehr stolz, dass es so gut weiterläuft“, erzählt der Minister bei seinem ersten Interview mit dem KURIER. Lesen Sie hier, was vom neuen Minister bei der Lebensmittelversorgung, dem Klimawandel und dem Bio-Landbau zu erwarten ist.
KURIER: Herr Minister, Sie wohnen in Wien im 7. Bezirk, im Herzen urbaner Bobo-Kultur, ein ziemlicher Gegensatz zur Osttiroler Bergwelt. Wie fühlen Sie sich hier?
Norbert Totschnig: Als richtiger Landmensch bin ich hier sicherlich ein Exot. Ich bin ein Bauernsohn, kein Bobo. Aber ich habe mich hier gut eingelebt, ich pflege guten Austausch mit den Hausbewohnern, es ist sehr nett hier, eine gute Wohngegend. Und zur Arbeit habe ich es nicht weit.
Was halten Sie von dem urbanen Lebensstil: Alles bio und vegan, Quinoa auf jeder Speisekarte, Fleischverzicht zum Klimaschutz?
Für mich ist das vollkommen okay. Das Leben ist bunt, jeder soll so leben, wie er glaubt, dass es für ihn gut ist. Ich bin da sehr offen. Ich selbst habe aber meinen Tiroler Speck daheim.
Bleiben wir bei den Lebensmitteln. Die UNO hat heute früh vor Lebensmittelknappheit gewarnt. Droht das auch in Österreich?
Wir haben in Österreich eine sehr gute Ausstattung mit den Grundnahrungsmitteln und meine Aufgabe der nächsten Zeit wird sein, dafür zu sorgen, dass es so bleibt.
Die Preise steigen. Wie teuer wird das Essen?
Da bräuchte ich jetzt eine Glaskugel. Das hängt von der Entwicklung der Märkte ab, von etwaigen Trockenheiten, wie die Ernten ausfallen. Um das alles einschätzen zu können, haben wir einen Krisenstab eingerichtet. Es gibt wöchentlich Lageberichte. Wenn sich problematische Entwicklungen abzeichnen, werden wir so schnell und so gut wie möglich gegensteuern.
Sollte es zu einer Krise kommen, könnten Sie sich da auch drastische Eingriffe vorstellen wie Exportverbote oder eine Brotpreisregulierung? Wir exportieren zum Beispiel Premiumweizen nach Italien.
Wir sind eingebunden ins europäische Regelwerk, und von mir kann man keine Ausritte erwarten, die über das EU-Recht hinausgehen. Wir sind ein freier Binnenmarkt. Es ist ein ganz wichtiges Signal, dass in der Union nicht Einzelinitiativen gestartet werden. Da geht es um den europäischen Gedanken, die Union als Binnenmarkt zu verstehen und zu leben. Wenn Notmaßnahmen nötig wären, dann nur im europäischen Kontext und auf Basis europäischen Regelwerks.
Ein Reizthema: Kann es eine Landwirtschaft ohne Pflanzenschutzmittel geben?
Dazu zwei Dinge: Es gibt einen Zulassungsprozess, der verläuft streng wissenschaftlich. Zweitens geht es um die Frage, ob man Pflanzenschutz braucht, um die Lebensmittelversorgung sicherzustellen. Darüber muss man nicht diskutieren, die Antwort liegt auf der Hand.
Da anschließend: Es gibt die These, man könnte in Österreich hundert Prozent Bio-Landbau machen. Was halten Sie davon?
Wir liegen mit 26 Prozent Bio-Anteil an der Spitze, europaweit ist das Ziel 25 Prozent. Man muss hier den Markt mitdenken. In Österreich wird deutlich weniger Bio gekauft als produziert wird. Ohne den EU-Markt könnten die Bio-Betriebe bei uns gar nicht überleben. Zudem haben wir jetzt das Thema Krise. In Krisen sind die Leute preissensibel. Da ist bei Premiumartikeln eine gewisse Anspannung zu erwarten.
Wenn jetzt Tierfutter teurer wird, auch durch steigende Energiepreise und Sojaimport für die Schweinemast: Bleibt das Schnitzel leistbar?
Wichtig ist, dass die Produktion in vollem Umfang aufrecht bleibt, dass zum Beispiel ein Betrieb nicht weniger Schweine mästet, weil das Futter zu teuer ist. Deswegen brauchen wir jetzt ein Entlastungspaket als Antwort auf die steigenden Futter-, Düngemittel- und Energiepreise. Damit wollen wir erreichen, dass die Betriebe weiter produzieren und eine stabile Versorgung sichern.
Sollen Flächen, die bisher für den Erhalt der Artenvielfalt genutzt worden sind, in der Krise als Produktionsflächen, also Ackerland, verwendet werden?
Es geht hier um ein Signal, dass Versorgungssicherheit wichtig ist. Aber Tatsache ist auch: Abzüglich jener Biodiversitätsflächen, die am ÖPUL-Programm teilnehmen, reden wir hier von 9000 Hektar.
Brauchen wir in Österreich generell mehr Ackerflächen statt Grünland? Also mehr Fläche für pflanzliche Nahrung als für Viehzucht?
Die Erhaltung von Grünland ist eine wichtige Maßnahme der EU-Agrarpolitik. In den Berggebieten ist eine sinnvolle Landwirtschaft nur mit Viehhaltung möglich. Da wächst ja nicht alles. Und wir sind hier auch mitten drinnen in der Frage Erhaltung der Kulturlandschaft und somit beim Tourismus.
Es gibt auch Konflikte zwischen Landwirtschaft und Tourismus, etwa im Burgenland, wo das Bewässern der Felder zur Austrocknung des Seewinkels beiträgt. Ist Wassermangel eine reale Gefahr?
Das Thema ist Realität und ein Phänomen des Klimawandels. Die Diskussion dreht sich um Bewässerungssysteme für die Landwirtschaft. Das ist ein extrem emotionales Thema.
Sie sind als Landwirtschaftsminister auch für die Bäuerinnen zuständig. Wie halten Sie es mit dem Feminismus?
Ich bin in einem Haushalt mit starken Frauen aufgewachsen. Meine Frau ist eine starke Frau. Ich schätze starke Frauen im privaten und auch im beruflichen Umfeld. Wenn es möglich ist, fördere ich Frauen, wo immer es geht. Ich habe da einen sehr entspannten Zugang.
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