„Sind die Eier auch vegan?"

Abschied von Wien-Neubau und vom Bioladen

Ich habe 24 Jahre lang in Wien-Neubau gearbeitet, und ich weiß schon jetzt: Es wird mir fehlen. Eigentlich war ich in diesem Bobo-Bezirk fehlplatziert. Ich komme ja aus einer Zeit, als der Bourgeois Bohemien, der idealistische Materialist, der rebellische Spießer, der Freizeitschamane im Porsche Cayenne, noch nicht erfunden war. Wir haben ja nichts gehabt. Keinen Bulgur, keine Familienaufstellung, nicht einmal eine Laktoseintoleranz. Aber trotzdem bin ich mit den Jahren an diesem Bezirk festgewachsen. Ich gehe jetzt, schon Abschied nehmend, sogar täglich in den Bioladen. Der Bioladen führt hervorragendes Essen. Früher haben sie es nie gewürzt, vielleicht, weil freudloses Essen Solidarität mit der Dritten Welt signalisieren sollte, aber seit einigen Jahren kochen die richtig gut. Der Bioladen ist eine eigene Welt. Man muss sich mindestens 20 Minuten lang anstellen, weil hier bewusst langsam – Entschleunigung! – bedient wird und weil immer irgendeine alterslose Dame in gebatikter Kasperlhose nachfragt, ob der Grünkernsalat auch vegan ist. Dabei steht eh in riesigen Lettern "Grünkernsalat: vegan" angeschrieben. Aber es ist wichtig, zu fragen, damit es erstens länger dauert und man zweitens das Wort "vegan" sagen kann. Wir befinden uns hier im Zentrum des Baumumarmerwesens! (Unlängst brüllte dort einer tatsächlich "Sind die Eier auch vegan?") Großartig sind die Plakate, die hier aushängen: Schamanistisches Tantratöpfereiseminar im Waldviertel. Feministisches Ausdruckstrommeln. Heiljodeln nach Hildegard von Bingen. Einmal hing dort ein Zettel: "Die rote Kraft – das Wunder Menstruation". Kein Witz. Ich werde den Bioladen vermissen. Beim neuen Büro gibt’s nur eine Tankstelle mit Leberkäsesemmeln, und sie sind angeblich nicht einmal vegan.

Guido Tartarottis neues Kabarettprogramm „Urlaubsfotos (keine Diashow)“: 25. April im Theater am Alsergrund.

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