Ärzteproteste: Ohne Griff in die Geldbörse keine Behandlung beim Arzt

Ärzteproteste: Ohne Griff in die Geldbörse keine Behandlung beim Arzt
Die Ärztekammer droht im Kampf gegen die Gesundheitsreform mit der Kündigung des Gesamtvertrags. Was das für die Patienten bedeuten könnte.

Wieder einmal dreht die Ärztekammer an der Eskalationsschraube: Aus Protest gegen die vom Bund geplante Gesundheitsreform droht sie mit der Auflösung des Gesamtvertrags. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum aktuellen Konflikt.

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Worum geht es bei der Gesundheitsreform?

Ziel der Regierung ist es, die Versorgung im niedergelassenen Bereich auszubauen, um die Spitäler zu entlasten. Der Ausbau der Primärversorgungseinheiten soll forciert und die Errichtung von Ambulatorien erleichtert werden. Zudem sollen künftig auch Wahlärzte verpflichtend Elga und eCard nützen müssen. Die Reform soll im Dezember im Nationalrat beschlossen werden.

Warum wehrt sich die Ärztekammer dagegen?

Die Reform sieht eine massive Beschneidung des Einflusses der Standesvertretung vor. So können die Kassen künftig Einzelverträge mit Ärzten abschließen, wenn kein Gesamtvertrag zustande kommt. Die Kammer verliert zudem ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten beim Stellenplan und bei der Errichtung von Ambulatorien. Weiters stört die Kammer, dass künftig aus Kostengründen in der Regel nicht mehr bestimmte Arzneimittel, sondern bloß Wirkstoffe verschrieben werden sollen.

Ärzteproteste: Ohne Griff in die Geldbörse keine Behandlung beim Arzt

Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart 

Welche Gegenmaßnahmen plant die Kammer?

Die Wiener Ärztekammer hat bereits am Wochenende fünf Millionen Euro für Protestmaßnahmen (etwa Info-Kampagnen) gegen die Reform beschlossen. Auf Bundesebene könnten solche bei der heutigen Sitzung der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte fixiert werden. Die potenziell folgenreichste Maßnahme ist aber die Drohung, den Gesamtvertrag aufzukündigen, mit dem die Abrechnung der kassenärztlichen Leistungen geregelt ist.

Was würde die Kündigung des Gesamtvertrags für die Patienten bedeuten?

Die Betroffenen (laut ÖGK 7,5 Millionen Versicherte) müssten zunächst – wie bei einem Wahlarzt-Besuch – die Leistungen bei ihrem Arzt selbst bezahlen und die Rechnung dann bei der Kasse einreichen. Diese würde dann, wie es die bestehenden Regelungen vorsehen, 80 Prozent des Kassentarifs rückerstatten. Für die vertragslose Zeit könnte die Kasse aber eine 100-prozentige Erstattung oder eine soziale Staffelung beschließen, sagt eine Sprecherin der ÖGK. 

Problematisch wird es für Patienten, für die es schwierig ist, sich die Vorauszahlung beim Arzt leisten zu können. Laut Sprecherin könnten sie auf die ÖGK-Gesundheitszentren oder die Erstversorgungsambulanzen in den Spitälern ausweichen. Auch auf die Ärzte würde ein hoher bürokratischer Mehraufwand zukommen. Pikanterweise beschwert sich ausgerechnet die Kammer gebetsmühlenartig immer wieder über zu viel Bürokratie in den Ordinationen. Bei der ÖGK sieht man sich in der Lage, den zusätzlichen Aufwand zu stemmen.

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Wann könnte die Vertragskündigung frühestens wirksam werden?

Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Kalenderhalbjahr. „Nächstmöglicher Termin für die Wirksamkeit einer Kündigung wäre somit der 30. Juni 2024“, heißt es bei der ÖGK. Die Länder-Ärztekammern müssten dafür die Kündigung bis spätestens 31. März aussprechen. Durch eine mögliche Einschaltung der Bundesschiedskommission könnte sich der Beginn des vertragslosen Zustands um ein weiters halbes Jahr verschieben.

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