Gesundheitsreform: Rauch will sich von Ärztekammer nicht einschüchtern lassen
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hält trotz der zunehmenden Drohgebärden der Ärztekammer an seinen Plänen für seine - wie er sie nennt - „größte Strukturreform der vergangenen Jahrzehnte“ fest. Er sei optimistisch, dass diese in den nächsten zwei Wochen finalisiert werden könne. „Von den Drohungen lasse ich mich sicher nicht beirren.“
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Wie berichtet drohen die Standesvertreter mit einer Kündigung des Gesamtvertrags, weil sie sich durch die von der Regierung geplanten Gesundheitsreform entmachtet fühlen. Wenn sie in Kraft tritt, verliert die Kammer Entscheidungsbefugnisse unter anderem bei der Neuausschreibung von Kassenstellen, bei der Stellenplanung und bei der Errichtung von Kassen-Ambulatoren.
Rauch zeigt sich unbeeindruckt: Als Gesundheitsminister sehe er sich als Anwalt der Patientinnen und Patienten und für diese bedeute die Reform hunderte neue Kassenstellen, mehr Primärversorgungszentren und Kassenambulatorien, eine international übliche Diagnosecodierung auch im niedergelassenen Bereich, eine Anbindung der Wahlärzte an die elektronische Gesundheitsakte ELGA, einen österreichweit einheitlichen Gesamtvertrag und massive Investitionen in Digitalisierung und Vorsorge.
„Es täte auch der Ärztekammer gut, sich nicht nur um ihren Machterhalt zu kümmern, sondern auch das Wohl der Patient:innen und die Zukunft unseres Gesundheitssystems im Auge zu behalten“, so Rauch, laut dem auch viele Ärztinnen und Ärzte vom Verhalten der Kammer irritiert seien. Die Gespräche mit den Ländern und der Sozialversicherung, die er in enger Abstimmung mit dem Finanzminister führe, seien jedenfalls „auf einem guten Weg“.
Noch im Dezember soll die Reform den Nationalrat passieren, heißt es im Gesundheitsministerium.
Kündigung des Gesamtvertrages
Die Ärztekammer selbst reagierte darauf mit der Drohung, den Gesamtvertrag zu kündigen. Patientinnen und Patienten müssten dann beim Arzt zahlen, was immer dieser von ihnen verlangt und es anschließend mit der Gesundheitskasse verrechnen.
Am Freitag legte man nach: "„Aus reinen Machtgedanken wird die solidarische Gesundheitsversorgung zerstört“, sagt Christian Toth, Präsident der burgenländischen Ärztekammer. Er befürchtet eine Aushöhlung oder gar Abschaffung der Sozialpartnerschaft und kündigte an, „nicht tatenlos zusehen, sondern Maßnahmen ergreifen“ zu wollen: „Das ist inakzeptabel, ein Schlag gegen ein, wenn auch verbesserungsfähiges, so doch insgesamt bewährtes, solidarisches Gesundheitssystem.“
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Kritik erntet die Drohung nun von der Patientenvertretung: "Zum ärztlichen Handeln gehört das Grundprinzip des Nicht-Schadens auch dazu", sagt Birger Rudisch, Tiroler Patientenanwalt, der für die gesamte Patientenvertretung spricht, im Ö1-Morgenjournal.
Die Schwächsten trifft es am härtesten
Die Problematik daran: "Das Schlimme an der Geschichte ist natürlich, dass es die sozial-finanziell Schwächsten immer am härtesten trifft. Chronische Patienten, die einen regelmäßigen Arztbesuch benötigen und sich das vielleicht auch gar nicht leisten können."
Gesundheitskasse steht hinter Rauch
Andreas Huss, Obmann der für die Verhandlung der Arzthonoraren und die Schaffung von Kassenarztstellen zuständigen Gesundheitskasse ÖGK, betonte im Ö1-Morgenjournal, dass in Zukunft Land und Sozialversicherung einen Regionalstrukturplan beschließen sollen, der Ärztekammer solle nur noch informelle Mitsprache möglich sein. „Die wird natürlich hier miteinbezogen. Aber das, was beschlossen ist, ist dann verpflichtet umzusetzen und da gibt es dann keine Möglichkeit mehr von irgendwelchen Einsprüchen oder irgendwelchen Möglichkeiten, solche Verfahren dann noch in die Länge zu ziehen.“
Sei im Strukturplan etwa die Errichtung eines Primärversorgungszentrums oder einer selbstständigen Ambulanz in einer Gemeinde vorgesehen, soll die Ärztekammer das nicht mehr beeinspruchen und verzögern können.
Kammer prüft Vertragskündigung
Derzeit wird geprüft, wie rasch eine Vertragskündigung - und damit ein vertragsloser Zustand - möglich ist. Das schilderte, Naghme Kamaleyan-Schmied, Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte in der Wiener Kammer am Freitag. Auszuarbeiten seien dazu „Empfehlungshonorare“, erläuterte sie. Sprich: Ärzte werden mit ihren Patienten direkt abrechnen und erhalten eine Richtschnur über die Höhe der Beträge. Sie dürften sich an den Kassenhonoraren orientieren. Für Leistungen, die bisher defizitär erbracht würden, würden wohl höhere Tarife verrechnet, prophezeite die Kurienobfrau. Möglich sei, dass es je nach Region auch unterschiedliche Preise geben könne.
Während der vertragslose Zustand noch nicht eingetreten ist und von der Gesprächsbereitschaft des Bundes abhängig gemacht wird, wird jedenfalls fix eine Kampagne geplant. „Wir wollen die Patienten darüber aufklären, was kommen könnte“, betonte sie. Weitere Schritte werden ebenfalls bereits erörtert, aber noch nicht kommuniziert, wie sie berichtete. Ob dazu etwa auch Schließtage in Ordinationen gehören, wird noch nicht verraten.
Auch sie lässt kein gutes Haar an der geplanten Reform: Die Ambulatorien seien eine problematische Entwicklung, es solle nicht zu „Armenversorgungszentren wie in Indien“ kommen. Auch dass es möglich sein soll, Sonderverträge abzuschließen, wird abgelehnt. Damit können etwa „Billigstanbieter“ sich auf einzelne, lukrative Leistungen konzentrieren, mit denen derzeit andere, nicht kostendeckende Leistungen in den Ordinationen querfinanziert werden.
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