Ärztekammer wehrt sich gegen geplante Entmachtung

Interview mit Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhar
Durch die Reformen im Rahmen des Finanzausgleichs würde Mitsprache und Kompetenz der Standesvertretung zurückgedrängt oder ganz abgeschafft

Die Ärztekammer (ÄK) hat am Mittwoch mit drastischen Worten vor den im Zuge des Finanzausgleichs geplanten Reformen gewarnt. Die Pläne bedeuteten nichts weniger als die "Aufkündigung der Sozialpartnerschaft". Damit würden Mitsprache und Kompetenz der Standesvertretung zurückgedrängt oder ganz abgeschafft. Massiv kritisiert wurde, dass die Ärzteschaft nicht eingebunden gewesen sei. Man werde sich das jedenfalls nicht gefallen lassen, so Ärztekammerpräsident Johannes Steinhart.

Mehr lesen: Finanzausgleich: "Je toter die Regierung, desto lebendiger ist sie"

Die Ergebnisse der Finanzausgleichsverhandlungen und die damit verbundenen Reformen würden die Ärzteschaft "sehr treffen", so Steinhart. Durch die Nichteinbindung habe man auf das "Know-how" der Mediziner verzichtet: "Die Ärzte wissen aber, wo der Schuh drückt." Dass kein Begutachtungsverfahren geplant sei, wertet Steinhart als Beleg dafür, "dass mit aller Gewalt versucht wird, jegliche kritische Auseinandersetzung und jede Diskussion" zu unterbinden. Die entsprechende Regierungsvorlage soll nämlich in der November-Plenarwoche des Nationalrats eingebracht und dann nach der Ausschussbehandlung im Dezember beschlossen werden.

Kammer will weiter mitreden

Bei Verwirklichung der kolportierten Pläne befürchtet die Ärztekammer den Verlust ihrer Stellenplankompetenz, ihres Mitspracherechts bei der Gründung von Ambulatorien und den Verlust der Mitsprache bei Gesamtverträgen. Sorgen bereitet den Kämmerern zudem eine gesetzliche Codierungspflicht der Krankheitsbilder ihrer Patienten ab 2025 sowie eine E-Card- und ELGA-Pflicht für Wahlärzte ab 2026. Weiterer Stein des Anstoßes: Ärzte sollen künftig nur noch Wirkstoffe und nicht konkrete Medikamente verschreiben dürfen. Ausnahmen solle es nur geben, wenn die Ärzte maschinenlesbar die Indikation für ein bestimmtes Produkt angeben.

Die Kollegenschaft sei "massiv verärgert", betonte Steinhart: "Das wollen wir der Politik klar machen". Keinesfalls sei man "resignativ", erklärte Steinhart: "Wir werden das nicht akzeptieren", so der Kammerpräsident, der unter der Kollegenschaft einen "Schulterschluss" und eine "geschlossene Front" ortet. Am Abend finde eine Konferenz der Bundeskurie und aller Landeskurien der niedergelassenen Ärzte statt. Da sollen neben Informationen auch formelle Beschlüsse gefasst werden.

Gesamtverträge

Das bisherige System, das bewusst jenes der Kollektivverträge kopiert habe, hatte seinen Sinn, argumentierte Kammeramtsdirektor Johannes Zahrl. Dadurch musste nicht der einzelne Arzt mit der Kasse verhandeln, sondern die Verhandlungen führten "zwei Verbände auf Augenhöhe". Über allem stand das Prinzip "Balance of Power", so Zahrl. Mit diesem Gesetzespaket werde diese Balance aber aus dem Gleichgewicht gebracht. Dabei erfolgen die Gesetzesänderungen "ohne Not", schließlich habe das System "bisher gut funktioniert", argumentierte er.

Drastischer wurde der stellvertretende Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte, Dietmar Bayer: "Uns wurde die Sozialpartnerschaft mit diesem Entwurf aufgekündigt. Das ist ein Desaster." Dabei gehe es um Kontingentierung und einen Sparkurs. Man sehe keine Stärkung des niedergelassenen Bereiches darin. Einer Privatisierung der Medizin sei damit "Tür und Tor" geöffnet. Damit verabschiede man sich von einem solidarischen Gesundheitssystem, sagte Bayer: "Es brodelt, die Ärzte sind aufgebracht. So kann man mit uns als Ärzte nicht umgehen."

Mehr lesen: Warum der Streit in der Wiener Ärztekammer eskaliert ist

Dass die internen Streitigkeiten in der Wiener Ärztekammer rund um die Vorwürfe im Zusammenhang mit der Beschaffungsplattform Equip4Ordi (E4O) die Kammerführung zu sehr abgelenkt hätte, stellte man in Abrede. Schließlich hätte dies die Wiener Ärztekammer und nicht die Bundesärztekammer betroffen, so Bayer. Die Standesvertretung sei bewusst "außen vorgelassen" worden. "Normalerweise bindet man alle Partner mit ein, wenn es so derartige Veränderungen gibt", kritisierte Bayer: "Die Schuld der Ärztekammer zuzuschieben, ist nicht der richtige Weg." Außerdem bestehe die Standesvertretung nicht nur aus einer Person, so Steinhart. "Ich habe Stellvertreter, die sich mit diesen Themen auseinandergesetzt haben."

Kommentare