Ärztekammer attackiert Minister Rauch: "Fühlen uns schwer hintergangen"

Ärztekammer attackiert Minister Rauch: "Fühlen uns schwer hintergangen"
Dass Apotheker künftig kleine Nebenstandorte betreiben dürfen, bezeichnet die Ärztekammer als "Kriegserklärung". Das Gesundheitsministerium widerspricht, die Apothekerkammer auch.

Die Spitze der Ärztekammer (ÖAK) wird wohl keinen Fanclub für Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) gründen. Ganz im Gegenteil: In der Wiener Innenstadt holen ÖAK-Präsident Johannes Steinhart, sein Vizepräsident Edgar Wutscher und Silvester Hutgrabner – Leiter des Referats für Hausapotheken – am Montag zum Rundumschlag gegen den Minister aus.

Anlassfall: Ab Jänner 2024 dürfen die rund 1.400 Apotheken in Österreich länger offenhalten und zusätzliche Dienstleistungen anbieten – etwa Blutdruckmessungen. Das lässt wiederum den Blutdruck der Ärzteschaft hochgehen.

Die Details der Novelle:

„Wir fühlen uns vom Gesundheitsminister zum Teil schwer hintergangen“, sagt Steinhart. Erstaunt und verärgert habe ihn Rauchs Vorgehen und die „nicht ausreichende Kommunikation“. Der Minister sei offenkundig dem Lobbyismus der Apothekerkammer erlegen, die Ärzten bekanntlich Leistungen „abluchsen“ und „extrem invasiv“ in Bereiche eingreifen würde, die der ärztlichen Kompetenz unterliegen.

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Finanzieller Faktor

Was die Ärztekammer am meisten stört: Apotheker können künftig in Ortschaften „Abgabestellen“ betreiben. Diese kann man sich als „Mini-Apotheken“ mit beschränktem Sortiment vorstellen. Und: Statt einer, dürfen öffentliche Apotheken künftig drei zusätzliche Filialen betreiben. „Das ist nichts anderes, als die absolute Kriegserklärung und die Zerstörung der Hausapotheken“, kritisiert Steinhart. 

Bei diesem Punkt geht es vor allem ums Geld. Für niedergelassene Ärzte würden Hausapotheken eine gewisse finanzielle Sicherheit bieten, sagt Wutscher. „Relativ viele Ordinationen“ in Österreich wären ohne Hausapotheke nicht profitabel. Das Argument der Ärztekammer: Gibt es in einer Ortschaft bereits eine Abgabestelle, sinkt die Wahrscheinlichkeit stark, dass sich ein Hausarzt niederlässt. Eine Ausweitung der Hausapotheken würde wiederum 400 zusätzliche Kassenstellen bringen.

Rauchs Büro widerspricht der Ärztekammer auf KURIER-Anfrage: „Die Erhöhung der maximalen Anzahl an Filialapotheken und Schaffung ausgelagerter Abgabestellen verbessert die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gerade im ländlichen Bereich deutlich“, heißt es. Öffentliche Apotheken würden bereits jetzt die Versorgung mit Medikamenten „in erster Linie“ sicherstellen.

Tatsächlich sind die rund 700 Hausapotheken in Österreich ein eher ländliches Phänomen. Das nun von kleinen Abgabestellen oder Filialapotheken bedroht wird? Das Ministerium widerspricht: Diese könnten auch künftig nicht errichtet werden, „wenn bereits eine Hausapotheke in der jeweiligen Ortschaft vorhanden“ sei. Die Apothekerkammer ergänzt: „Umgekehrt verhindert eine Filialapotheke nicht die Bewilligung einer ärztlichen Hausapotheke.“

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"Logischer Schritt"

Auch bezüglich der Medikationsanalysen und Tests, die Apotheker künftig machen dürfen, ist die ÖAK skeptisch. „Jeder, der einen Erste-Hilfe-Kurs für den Führerschein macht, ist medizinisch besser ausgebildet als ein Apotheker“, sagt Wutscher. Rauch habe sie nicht in die Reform des Apothekergesetzes eingebunden, monieren die Ärztevertreter. Gesprächstermine im Sommer habe der Minister wiederholt verschoben und abgesagt. 

Aus dem Ministerium heißt es, man stehe „mit sämtlichen Stakeholdern im regelmäßigen Austausch“. Die Frage nach möglichen gesetzlichen Adaptierungen im Sinne der ÖAK lässt man offen. Genau das ist nun Ziel der Ärztekammer. Die Ärzte würden sich außerdem überlegen, ob sie angesichts der nach wie vor schwierigen Medikamentenversorgung andere Wege eröffnen könnten, zum Beispiel über das Internet, so Steinhart.

Die Apothekerkammer äußert sich gegenüber dem KURIER zurückhaltend auf die scharfe Kritik. Die Novelle sei ein logischer Schritt, heißt es: „Die bundesweit rund 6.800 Apothekerinnen und Apotheker kennen ihre Patient:innen oft seit vielen Jahren. Es besteht ein enges persönliches Vertrauensverhältnis.“ Zudem würden Apotheker als ausgebildete Spezialisten für Arzneimittel sehr wohl über die ausreichend Kompetenz für Medikationsanalysen oder Tests verfügen.

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