Bei welchem Facharzt man 44 Tage auf einen Termin warten muss
Was viele Patienten tagtäglich am eigenen Leib verspüren, liegt nun schwarz auf weiß vor: Die Wartezeiten bei den Kassenärzten haben sich in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Das zeigt eine aktuelle Erhebung des Meinungsforschers Peter Hajek im Auftrag der Wiener Ärztekammer.
Untersucht wurden dafür 850 Kassenärzte in Wien, die per Mystery Call kontaktiert wurden. Die Ergebnisse wurden mit einer Erhebung aus dem Jahr 2012 verglichen.
Demnach sind die Wartezeiten in fast allen Fächer deutlich gestiegen. Die wichtigsten Ergebnisse im Detail:
- Bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie wartet man heuer rund 90 Tage.
- Auf einen Termin bei einem Kassen-Neurologen wartete man 2012 durchschnittlich 33 Tage, 2024 sind es bereits 45 Tage.
- Ähnlich schlecht ist die Lage bei der Gynäkologie. Hier stieg die Wartezeit von acht auf derzeit 32 Tage.
- Besonders dramatisch hat sich die Lage bei der Augenheilkunde verschlechtert – von neun auf 44 Tage. Ähnlich schlecht sind die Werte aber auch bei der Dermatologie, Radiologie, Pulmologie oder Innere Medizin.
- Aufgrund der Engpässe können vielfach keine neuen Patienten mehr aufgenommen werden. Überdurchschnittlich stark betroffen sind Gynäkologie (30 Prozent der Praxen), Kinder- und Jugendheilkunde (54 Prozent) und Kinder- und Jugendpsychiatrie (40 Prozent). Aber auch rund jede dritte Allgemeinmedizinische Ordination kann keine neuen Patienten mehr aufnehmen.
Hinter dem Problem steckt laut Ärztekammer die Ausdünnung der kassenmedizinischen Versorgung. Demnach sei die Bevölkerung Wiens seit 2012 um 16 Prozent gewachsen, die Anzahl der Kassenärzte aber im selben Zeitraum um zwölf Prozent gesunken.
Deshalb pocht man seitens der Kammer einmal mehr auf die Ausweitung der Kassenstellen und eine Attraktivierung der Kassenverträge. So müsse der von der Regierung im Vorjahr beschlossene Startbonus über 100.000 Euro für alle offene Kassenstellen gelten, fordert Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer.
Was die Ärztekammer fordert
Geht es nach ihr, sollen auch die Arbeitsmodelle bei Kassenärzten flexibilisiert werden. Ein Beispiel sei die flexiblere Teilung von Kassenverträgen und variablere Öffnungszeiten (längere während der winterlichen Erkältungszeit und kürzere im Sommer).
Um die Versorgung zu verbessern, sollen Gemeinschafts- und interdisziplinäre Praxen gefördert werden. Nach dem Vorbild der Kinder-Primärversorgungseinheiten soll es solche Zentren auch für andere Fachgebiete wie Gynäkologie oder Psychiatrie geben.
Die Kammer bekräftigt ihre Forderung nach einer einheitlichen Honorierung von Kassenleistungen, wobei Vorsorgeuntersuchungen und Zuwendungsmedizin, also die Gespräche und die Beratung der Patienten, einen höheren Stellenwert bekommen sollen.
„Menschen, die jahrelang einen großen Teil ihres Einkommens in unser solidarisches Gesundheitssystem einzahlen bzw. eingezahlt haben, müssen ein Recht auf die bestmögliche Versorgung haben“, richtet Kammerpräsident Johannes Steinhart angesichts der bevorstehenden Wahlen der Politik aus.
Bei der ÖGK fühlt man sich durch die Studie bestätigt, bereits eingeleitete Maßnahmen fortzusetzen und zu forcieren. Als Beispiel nennt Hauptversammlungsvorsitzender Moritz Mitterer etwa die schon im Juli 2023 angekündigte Schaffung von 100 zusätzlichen Kassenstellen. Um die Versorgung weiter zu stärken, hat der Verwaltungsrat der ÖGK beschlossen, sich für die Finanzierung weiterer 100 Kassenstellen einzusetzen.
Telemedizin und effizientere Terminvergabesysteme sollen zusätzlich dabei helfen, die Wartezeiten zu verkürzen.
Massive Engpässe in der Radiologie
Dass die Engpässe keineswegs auf die in der Studie untersuchten Fachbereiche beschränkt sind, zeigt die jüngste Debatte rund um die Wartezeiten bei radiologischen Untersuchungen. Demnach wartet man in Wien oder Vorarlberg bis zu 60 Tage auf eine MRT-Untersuchung warten. Das geht aus der Online-Wartezeitenabfrage der Sozialversicherung hervor.
Dahinter steckt eine zu geringe Geräte-Dichte außerhalb der Spitäler. ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer schlägt daher Verträge mit den Krankenanstalten zur Leistungserbringung auch für den niedergelassenen Bereich vor. Denn in den Radiologiepraxen würden auf einzelnen Geräten 12.000 bis 13.000 Untersuchungen pro Jahr vorgenommen, so Wurzer. Spitals-MRTs verzeichneten im selben Zeitraum hingegen nur 2.000 bis 3.000 Untersuchungen.
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