Abschiebung in Lehre: Auch jene mit Positiv-Bescheid zittern
In der Debatte um Asylwerber, die eine Lehre machen und nun eine Abschiebung fürchten müssen, bleibt die Regierung auf hartem Kurs – hat aber einen Tipp parat: Unternehmer sollten sich Lehrlinge suchen, die bereits einen Aufenthaltstitel haben.
Dass das nur bedingt stimmt, zeigt das Schicksal des 20-jährigen Bagher, über den der KURIER kürzlich berichtete (lesen Sie hier). Der Afghane bekam subsidiären Schutz und macht eine Lehre als Elektrotechniker bei den ÖBB. Der Aufenthaltstitel wurde ihm jetzt, bei einer neuerlichen Prüfung durch das Asylamt, aberkannt.
Bagher könnte nun abgeschoben werden – und er ist bei weitem kein Einzelfall, wie KURIER-Recherchen zeigen.
Alt-Bescheide erneut geprüft
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl prüft Fälle, die subsidiären Schutz erhalten haben, neu – und nach der großen Migrationsbewegung 2015 und 2016 sind das heuer besonders viele (siehe Grafik). Diese Überprüfung ist erstmals nach einem, dann wieder nach zwei Jahren gesetzlich vorgeschrieben. Wie viele Alt-Bescheide jetzt fällig sind, ist laut Innenministerium schwer zu sagen – nicht alle sind noch im Land. Nächstes Jahr folgt ein größerer Brocken von „Asyl auf Zeit“, das 2016 in Kraft getreten ist.
Der Grund, warum es heuer für Afghanen wie Bagher heikel wird, ist, dass sich die Abschiebepraxis geändert hat. Seit März 2017 wird wieder nach Kabul abgeschoben – obwohl Experten, u.a. von Amnesty International, warnen, dass das seit Jahrzehnten von Unruhen geplagte Afghanistan alles andere als sicher ist. Dazu passt, dass das Außenministerium eine Reisewarnung der höchsten Stufe für das Land am Hindukusch ausgegeben hat.
Keine Garantie für Unternehmer
Für einen Asyl-Titel müsste eine Person individuell verfolgt werden, beim subsidiären Schutz-Titel reicht es, wenn die Lage im Herkunftsland generell lebensbedrohlich ist, etwa durch Krieg. Stabilisiert sich die Lage, fällt der Fluchtgrund weg. Zu diesem Schluss kommen die Behörden bei Afghanen jetzt häufig, berichten NGOs und Asyl-Anwälte auf KURIER-Anfrage.
So wie Bagher sind nun also alle bisher subsidiär schutzberechtigten Afghanen gefährdet, bei der nächsten Prüfung ihren Aufenthaltstitel zu verlieren. Und auch wenn es noch wenige Urteile in zweiter Instanz gibt, ist die Angst vor der Abschiebung groß. Der Mödlinger Flüchtlingshelfer Wolfgang Buchebner berichtet von mehreren Fällen negativ beschiedener afghanischer Schüler im ganzen Land. Einige seien mittlerweile untergetaucht, um sich dem Zugriff der Behörden zu entziehen.
Ein Aufenthaltstitel ist also keine Garantie – weder für die Betroffenen, noch für die Unternehmer. Der Ruf aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft, eine Lösung für jene zu schaffen, die sich bereits durch Arbeit integriert haben und gebraucht werden, wird immer lauter.
Die Petition "Ausbildung statt Abschiebung" (mehr dazu hier) des oberösterreichischen Landesrats Rudi Anschober unterstützen mittlerweile mehr als 57.000 Menschen. Noch gibt es aber Hoffnung: Bei rund einem Drittel der rund 900 Lehrlinge liegt in erster Instanz ein Negativ-Bescheid vor, viele haben dagegen berufen.
Auch Bagher, Jahrgangsbester seiner Lehrlingsgruppe, hofft auf einen positiven Bescheid in zweiter Instanz. So wie sein Arbeitgeber, der ihn mit einem Empfehlungsschreiben unterstützt. Jetzt ist das Bundesverwaltungsgericht am Zug.
Kommentare