Rot gegen Blau: "Man löst das Parlament nicht einfach auf"

Die Kandidaten von FPÖ und SPÖ, Norbert Hofer und Rudolf Hundstorfer.
Vor allem die Flüchtlingskrise entzweit Rudolf Hundstorfer und Norbert Hofer.

Im Doppelinterview mit dem KURIER sprechen die beiden Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer (FPÖ) und Rudolf Hundstrofer (SPÖ) über die Flüchtlingskrise, die Macht des Bundespräsident, eine mögliche Kärnten-Pleite und Populismus versus Opportunismus.

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KURIER: Herr Hundstorfer, Sie wollen als Bundespräsident ein "Brückenbauer" sein. Glauben Sie nicht, dass die Bürger in schwierigen Zeiten eher einen starken Präsidenten wollen?

Rudolf Hundstorfer: Natürlich gibt es einen Hang zum imperialen Regierungsstil, aber ich stelle mir etwas anderes vor. Im Dreieck Parlament/ Regierung/Bundespräsident hat jeder seine Rolle. Unser politisches System ist auf Kooperation ausgerichtet, das verbindende Element ist das wichtigste. Verbindend heißt nicht schweigen oder verschweigen, man muss ab und zu Linien vorgeben. Ich sehe mein Amtsverständnis voll auf der Höhe des Zeitgeistes, wobei eines klar ist: Wer offen populistisch agiert, geht in jedem Fall den falschen Weg.

Damit meint Herr Hundstorfer offenkundig Sie, Herr Hofer ...

Norbert Hofer: In der Außenpolitik ist Brückenbauen wichtig, aber der Bundespräsident muss auch seine Stimme erheben, wenn Dinge nicht funktionieren. Wir haben als FPÖ im Parlament oft verlangt, dass man die Höhe der Familienbeihilfe an der Kaufkraft jenes Landes bemisst, in das sie ausbezahlt wird. Minister Hundstorfer hat uns daraufhin Populismus vorgeworfen. Ein wenig später verlangt der SPÖ-Kanzler genau unsere Forderung. Das bedeutet: Was man bei der FPÖ Populismus nennt, ist bei der SPÖ die Aktivität eines Staatsmannes. Herr Hundstorfer sollte vorsichtig sein, wem er Populismus vorwirft.

Bleiben Sie dabei, dass ein Bundespräsident eine Regierung auflösen muss, wenn er mit der Flüchtlingspolitik unzufrieden ist? Wäre das nicht der Populismus, den Herr Hundstorfer meint?

Hofer: Nein, warum? Ich bin nicht sicher, ob das Auflösen einer Regierung eine populäre Maßnahme wäre. Außerdem löst man eine Regierung nicht einfach auf. Da wird zuerst einmal – wie durch die Grenzöffnung – gegen die Verfassung verstoßen und viel verhandelt. Erst als letzte Möglichkeit, wenn nichts funktioniert, steht diese Maßnahme im Raum.

Rot gegen Blau: "Man löst das Parlament nicht einfach auf"
Rudolf Hundstorfer und Norbert Hofer im Doppelinterview im Parlament in Wien am 11.03.2016

KURIER: D’accord, Herr Hundstorfer?

Hundstorfer: Absolut nicht. Auch der von Herrn Hofer gebrachte Vorwurf, die Regierung hätte mit der Öffnung der Grenzen im Vorjahr die Verfassung gebrochen, ist Unsinn. Die Durchreise von 800.000 Menschen durch Österreich war durch die Verfassung gedeckt, wer das Gegenteil behauptet, agiert populistisch. Und weil Herr Hofer die Entlassung einer Regierung andenkt: Bitte überlegen wir, was das am Ende bedeutet: Das wäre eine Staatskrise! Die Entlassung einer Regierung steht zwar in der Verfassung, ist für mich aber unvorstellbar.

Hofer: Es ist immer dasselbe Muster: Wenn die FPÖ sagt: "Wir brauchen einen Grenzzaun", ist das Hetzerei; die "technische Maßnahme" der Bundesregierung ist aber in Ordnung. Ich hab kein Problem damit Populist zu sein, ich bin gerne populär. Aber was ich bei Ihnen erlebe, ist Opportunismus – und den schätze ich nicht besonders.

Hundstorfer: Sie erleben doch keinen Opportunismus!

Hofer: Warum wurde dann ihr Parteichef wegen der Flüchtlingspolitik von der Parteijugend ausgepfiffen?

Hundstorfer: Da müssen Sie die Parteijugend fragen. In der SPÖ gibt es viele verschiedene Meinungen.

Hofer: Bei uns wird niemand ausgepfiffen.

Hundstorfer: Sie haben sogar einen Parteichef gestürzt, das gab’s in unserer Partei noch nie.

KURIER: Aber glauben Sie nicht, dass sich mancher Wähler denken könnte: Letztlich hat die FPÖ beim Flüchtlingsthema recht behalten?

Hundstorfer: Die FPÖ hat sicher nicht recht gehabt – sonst hätten nicht Tausende Menschen mitgeholfen, die Krise zu bewältigen. Die Zivilbevölkerung hat Unglaubliches geleistet, aber es war immer klar, dass Österreich nicht die Welt retten kann. Die Lösung gibt’s nur auf europäischer Ebene.

Sie wären als Bundespräsident auch zum Westbahnhof gefahren?

Hundstorfer: Ich glaube ja.

Hofer: Ich hätte das sicher nicht getan, denn das Selfie am Westbahnhof hatte zur Folge, dass noch mehr Menschen kommen.

Ein anderes Thema: Die HETA-Gläubiger haben Kärntens Rückkaufangebot der Anleihen abgelehnt. Soll man Kärnten in die Insolvenz schicken?

Hundstorfer: Nein. Ich habe als Eigentümervertreter einmal eine Bank verkauft (Bawag). Da habe ich gelernt, dass in den letzten Tagen der Verhandlungen Schweigen Gold ist. Es ist nur eines klar: Kärnten darf nicht pleitegehen. Es muss weiterverhandelt werden.

Hofer: Auch ich halte nichts von einer Insolvenz Kärntens.

KURIER: Die FPÖ würde das Amt des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers ja am liebsten in einer Person vereinen. Wie passt das mit Ihrer Kandidatur zusammen, Herr Hofer?

Hofer: Es sollte kein Denkverbote geben. Wenn man ein Modell wie in Frankreich oder den USA anstrebt, müsste gleichzeitig das Parlament gestärkt werden. Ohne Volksabstimmung kann ein solches Modell nicht in Kraft treten und für mich steht das Modell nicht im Mittelpunkt. Wenn ein Präsident seine Möglichkeiten ausschöpft, dann kann er schon jetzt viel bewegen.Wir hatten einen solchen Präsidenten noch nie.

Wo sehen Sie mehr Möglichkeiten?

Hofer: Der Bundespräsident ist Oberbefehlshaber des Bundesheeres. Ich habe aber noch nie gehört, dass er sich über die Höhe des Heeresbudgets beschwert hat – obwohl das Heer mit dem Rücken zur Wand steht. Unsere Soldaten haben nicht einmal mehr Helme. Anstatt der für die Streitkräfte vorgesehenen 1,7 Milliarden Euro würden wir 3,5 Milliarden benötigen.

Hundstorfer: Herr Hofer, dass unser Heer keine Helme hat, glaube ich Ihnen nicht. Aber es stimmt, es muss etwas passieren.

Kommende Woche wird beim EU-Gipfel das Abkommen mit der Türkei verhandelt. Wie beurteilen Sie die Forderungen der Türkei?

Hundstorfer: Wir dürfen uns weder ausliefern, noch dürfen wir die Menschenrechtsfragen verschweigen. Die Frage ist: Gelingt es, einen Vertrag für die Rücknahme der Flüchtlinge zu erzielen – oder nicht? Sollte es irgendwann zu einem EU-Beitritt der Türkei kommen, muss es ohnehin eine Volksabstimmung geben.

Hofer: Ich bin gegen jeden Deal mit der Türkei. Dieses Land hat in Europa nichts verloren. Wenn Griechenland ein Teil von Schengen ist, dann müssen wir ihnen helfen die Grenzen zu schützen. Ich würde aber keine 700 Millionen Euro überweisen – das Geld landet dann nicht bei den Flüchtlingen oder der Grenzsicherung. Die Griechen haben sich auch in den Euro getrickst.

Hundstorfer (schüttelt den Kopf): Herr Hofer, glauben Sie nicht, dass Griechenland in den letzten 20 Jahren dazugelernt hat? Glauben Sie nicht, dass Europas Verwaltungsbehörden dazugelernt haben?

Steht die EU vor dem Scheitern?

Hundstorfer: Die EU ist momentan in keiner Bestform, aber ich hoffe, dass sie überlebt.

Hofer: Es ist sehr ernst. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass große Probleme auch zu einer Chance führen können. Vielleicht gibt es ein Umdenken, was die europäische Politik und den Umgang der Staaten miteinander anbelangt.

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