"Minderheitsregierung? Warum nicht"

Kontrahenten im Hofburg-Rennen: Irmgard Griss vs. Andreas Khol
Griss kann sich Minderheitsregierung vorstellen, Khol nicht.

KURIER: Sie beide sprechen die liberal-bürgerlichen Wähler an. Irmgard Griss liegt in den Umfragen konstant vor Andreas Khol und hat die nötigen 6000 Unterstützungserklärungen. Herr Khol, was macht Frau Griss im Wahlkampf besser als Sie?

Andreas Khol: Wenn Frau Griss tatsächlich vorne liegt, gratuliere ich ihr. Aber die Frage ist: Was sind Meinungsumfragen mit 400 Telefoninterviews wert? Gar nichts. Daher bin ich da ganz gelassen. Die Unterstützungserklärungen geben wir erst am letzten Tag ab. Ich weiß, dass sehr viel gesammelt wird.

Irmgard Griss: Auch ich gebe nicht viel auf Umfragen. Es freut mich schon, dass ich nun fix kandidieren kann. Das ist nicht selbstverständlich. Mir wurde ja prognostiziert, dass ich im Frühjahr schon abgeschrieben sein werde, weil ich meine Kandidatur schon früh bekannt gab.

Frau Griss, Sie meinten, dass Sie als Bundespräsidentin die Regierung entlassen würden, wenn im Land keine Reformen passieren. Gab es in den vergangenen 20 Jahren eine solche Situation?

Griss: Das glaube ich nicht. Die Entlassung der Regierung sehe ich als letztes Mittel. Die Drohung kann man auf jeden Fall ins Gespräch mit der Regierung einbringen.

Khol: Eine Regierungsentlassung würde ich nur als theoretisch ansehen, weil die Regierung ja vom Bundespräsidenten angelobt wurde. Entlassen heißt, auch der Bundespräsident ist gescheitert. Als Oberhaupt des Staates muss man keine Krisen hervorrufen. Bevor ich eine Regierung entlasse, müsste etwas passieren, das ich mir jetzt noch gar nicht ausmalen könnte. Der Bundespräsident ist der Coach der Regierung, aber nicht jemand, der sie zensuriert.

Griss: Die Tatsache, dass ich die Regierung angelobt habe, ist für mich kein Grund, sie nicht zu entlassen. Die Verantwortung gilt der Allgemeinheit gegenüber. Dass ich dann eingestehen muss, ich hätte besser hinschauen müssen, wäre für mich kein Grund. Natürlich muss man, bevor man zu so einer Extrem-Maßnahme greift, sich ganz genau anschauen, was danach kommt. Kann es eine Expertenregierung geben? Kann es andere Personen geben, die die Partei entsendet?

Spüren Sie im Wahlkampf das Verlangen der Wähler nach einem starken Präsidenten?

Khol: Ob es einen starken Präsidenten braucht, ist eine eigene Frage. Was man an allen Ecken merkt, ist die Unzufriedenheit mit dem momentanen Reformstau. Ich habe zu keiner Zeit meiner politischen Tätigkeit seit 1983 eine derartige Verbitterung und Enttäuschung in breiten Schichten der Bevölkerung erlebt. Es war doch immer so, dass der Bundeskanzler einen Bonus hatte und der Finanzminister eines der beliebtesten Regierungsmitglieder war. Das ist alles weg. Ob, der Bundespräsident das Allheilmittel ist, um diese Stimmung zu verbessern, ist die Frage. Aber er ist sicher in der Lage, die Reformen zu beschleunigen.

Griss:Ich glaube auch, dass sich die Menschen einen stärkeren Präsidenten wünschen. Auch deswegen ist die Wahl spannend, weil die Bürger große Hoffnung in die Wahl legen. Es herrscht eine weitreichende Politikerverdrossenheit. So arg wie jetzt war es noch nie. Die Menschen wollen, dass der Bundespräsident Bewegung hineinbringt.

Herr Khol, aber die Volkspartei ist einer der Gründe für die Verbitterung ...

Khol: Die Volkspartei leidet darunter, dass die Konsensdecke in der Regierung so dünn ist und die Sozialdemokraten andere Ziele haben als im Regierungsprogramm vereinbart Das ist der Grund für das schleppende Tempo.

Ihr Parteikollege Christoph Leitl meinte vor Kurzem, er würde ÖVP-Parteichef Reinhold Mitterlehner eine Minderheitsregierung empfehlen, wo er sich für Reformen Mehrheiten im Parlament sucht. Würden Sie das unterstützen?

Khol: Nein, das würde ich nicht. Erstens gibt es für mich keinen Koalitionswechsel ohne Wahlen. Zweitens: Eine Minderheitsregierung ist ein Experiment. Das kann vielleicht eine Ultima Ratio in Österreich sein. So weit sind wir aber noch lange nicht. Der Bundespräsident darf nicht mit der Verfassung spielen.

Griss: Das ist für mich kein Spiel mit der Verfassung, wenn in der Regierung Stillstand herrscht. Wenn ich sehe, dass eine Partei ein vernünftiges Programm hat, sie sich Mehrheiten suchen wird, sehe ich keinen Grund, das nicht zu machen.

Khol: Das heißt, Sie würden eine Minderheitsregierung angeloben?

Griss: Ja. Warum denn nicht?

Khol: Das rechne ich Heinz Fischer hoch an, dass er die Minderheitsregierung 2006 verhindert hat.

Griss: Dann wären vielleicht in der Republik endlich Reformen in Gang gekommen. Jetzt haben wir den Zustand der Lähmung und der gegenseitigen Blockade bei den Großparteien.

Khol: Mir wäre das Risiko zu hoch.

Griss: Ich würde das Risiko eingehen. Mir ist das Wohl des Landes wichtiger.

Khol: Wir haben absolut keine Tradition beim Suchen von Mehrheiten im Parlament.

Griss: Aber wir haben einen Reformstau. Wir müssen zu Mitteln greifen, die wir noch nicht hatten. Deswegen müssen wir neue Wege gehen.

Khol: Für alle großen Reformen braucht man eine Zweidrittelmehrheit. Das schaffte die große Koalition nicht einmal jetzt. Das ist ein Spiel mit dem Feuer. Ich möchte keine Streiks und keine Demonstrationen haben.

Griss: Sie sind ein Architekt der schwarz-blauen Koalition. Die schwarz-blaue Koalition hat doch viele Reformen angestoßen.

Khol (spielt den Geiger): Dass Sie das Hohelied auf die Schüssel-Regierung anstimmen ...

Griss: Das habe ich immer gesagt. Was es wiegt, das hat es. Da gab es jeden Donnerstag Demonstrationen. Man hat die Koalition trotzdem durchgezogen. Demonstrationen können doch kein Grund sein. Wir müssen die Menschen überzeugen und endlich handeln, damit Österreich nicht abrutscht. Wir haben 500.000 Arbeitslose. Wir haben ein Bildungssystem, das zu vielen Schülern nicht die wichtigsten Grundvoraussetzungen beibringt. Wann, wenn nicht jetzt, muss gehandelt werden?

Frau Griss, wie würden Sie die Tauglichkeit des Regierungsprogramm bei einer Minderheitsregierung prüfen?

Griss: Ich würde eine neue Art von Regierungsprogramm einfordern. In den letzten Jahren waren es Hunderte Seiten, die mit wolkigen Formulierungen befüllt wurden. Ich stelle mir ein Regierungsprogramm wie einen Projektplan vor: Zuerst muss die Ausgangsbasis analysiert sein, dann muss die Zielsetzung formuliert werden. Bei der Umsetzung erwarte ich mir, dass Punkt für Punkt alle Maßnahmen aufgelistet werden, um das Ziel zu erreichen.

Kommende Woche soll beim EU-Gipfel das Abkommen mit den Türken klappen. Wie stehen Sie zu den Forderungen von sechs Milliarden Euro und Visa-Erleichterung für die Türken?

Griss: Was ist die Alternative? Es gibt keine Lösung ohne die Türken – das muss uns allen klar sein. Natürlich ist es nicht wünschenswert, aber die Türken haben eine ganz starke Position, und das Wasser steht uns bis zum Hals.

Khol: Wenn die Alternative ist, dass wir überrannt werden, dann ist mir lieber, wir zahlen. Die Versorgung der syrischen Kriegsflüchtlinge in der Türkei ist wesentlich günstiger als bei uns. Die Visa-Erleichterung ist auch kein Problem mehr. Die Türkei ist kein Auswanderungsland mehr, weil die türkische Wirtschaft boomt.

Griss: Was ist mit den Kurden?

Khol: Die Kurden sind am Weg, ihren eigenen Staat im Norden vom Irak zu errichten.

Griss: Das wird und will Präsident Erdogan verhindern.

Herr Khol, Sie behaupten nur zehn Prozent der 90.000 Asylwerber haben ein Recht auf Asyl. 2015 kamen 24.538 Syrer nach Österreicher. Das heißt, die Mehrheit davon sind für Sie keine Flüchtlinge.

Khol: Die meisten sind Wirtschaftsflüchtlinge. Auch der Großteil der Syrer kommt nicht aus Angst vor politischer oder rassischer Verfolgung, wie es in der Genfer Flüchtlingskonvention steht.

Aber aus Angst vor Krieg und den IS-Terroristen ...

Khol: Das ist kein Asylgrund.

Griss: Aber das sind subsidiär Schutzberechtigte.

Khol: Auch das ist kein Asylgrund. Die Afghanen etwa, die aus dem Iran kommen, dürften eigentlich nicht einmal subsidiären Schutz bekommen. Deswegen bin ich ja für das Grenzmanagement. Wenn man an der Grenze Schnellverfahren wie in der Schweiz machen würde, dann könnte man Afghanen nach Slowenien zurückführen. Wenn der Deal mit der Türkei klappt, kann man die Syrer in die Türkei zurückschicken.

Welcher Bundespräsident war für Sie der stärkste in der Zweiten Republik?

Khol: Für mich war der stärkste Präsident Rudolf Kirchschläger (von der SPÖ aufgestellt). Schon als Minister hat er sich einigen Gesetzen widersetzt. Er hat sehr stark zur Objektivierung der Postenvergabe beigetragen.

Griss: Für mich war es auch Kirchschläger. Weil er eben ein ehemaliger Richter war.

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