Warum Trump Hongkongs letzte Hoffnung ist
Tumulte im Parlament, Massenproteste auf den Straßen – allein am Mittwoch 360 Festnahmen. Hongkong steuert auf eine Gewaltwelle zu, die die Eskalationen des vergangenen Jahres in den Schatten stellen könnte. Grund dafür ist das am Donnerstag vom chinesischen Volkskongress beschlossene Sicherheitsgesetz, das ab September in Kraft treten soll. Mit dem Gesetz umgeht Peking Hongkongs Parlament und richtet sich gegen Aktivitäten, die von China als „subversiv oder separatistisch“ angesehen werden. Für größten Unmut unter den Hongkongern sorgt die Möglichkeit eines Einsatzes chinesischer Sicherheitskräfte, „wenn es notwendig“ wird.
Radikale Flügel
Das könnte sich als selbsterfüllende Prophezeiung erweisen – denn schon oft waren die friedlichen Proteste in brutale Gewalt ausgeartet, auch vonseiten der Demonstranten. Es dürfte die größte Herausforderung für die Protestbewegung werden, die eigenen Menschen im Zaum zu halten – Vertreter der radikaleren Flügel schossen vergangenen November beispielsweise mit Pfeil und Bogen auf die Polizeibeamten. Andere fabulieren von RAF-Taktiken.
Und dennoch: Der Großteil der Menschen, die gegen den wachsenden Einfluss Pekings demonstrieren, macht dies friedlich. Als vor ungefähr einem Jahr die Massenproteste gegen ein mittlerweile zurückgezogenes Auslieferungsgesetz begannen, waren mehr als eine Million Hongkonger auf den Straßen.
Hilfloses Empire
In der restlichen Welt stoßen Pekings Pläne auf Kritik: Vonseiten der EU kommen zaghafte Ermahnungen. Großbritannien, immerhin Schutzmacht der Sonderverwaltungszone, sind aufgrund des Brexit-Chaos’ die Hände gebunden: Das Vereinte Königreich braucht China als wirtschaftlichen Partner.
Mehr als ein „zutiefst betroffen“ wird daher nicht von Downing Street 10 kommen. Der chinesische Botschafter in London sprach aus, was mittlerweile Realität ist: „Mischt sich Großbritannien in Hongkonger Angelegenheiten ein, wird es nicht nur die Beziehungen zu China beschädigen, sondern auch seine eigenen Interessen“, sagte er.
Bereits 1984, als Margaret Thatcher gemeinsam mit dem damaligen chinesischen Premier Zhao Ziyang eine Rückgabeerklärung Hongkongs an China unterzeichnete, hatten sich die Kräfte zwischen dem britischen Empire und der Volksrepublik verschoben. Immerhin konnten die Briten eine 50-jährige Übergangsphase für Hongkong erwirken, die der Sonderverwaltungszone eigene, vom Kommunismus unbehelligte Rechte einräumt.
Trump als „Retter“
Dennoch schwenken einige Hongkonger Demonstranten nach wie vor den Union-Jack, bitten auf Plakaten den britischen Premier Boris Johnson um Hilfe. Noch mehr Hoffnungen setzen sie allerdings in Donald Trump.
Längst schon ist Hongkong einer der vielen Zankäpfel im großen Ringen zwischen den USA und China – und die Lage spitzt sich zu: Am Mittwoch entzog die US-Regierung Hongkong seinen Sonderstatus nach US-Recht. Das bedeutet, dass die Sonderverwaltungszone Privilegien in den Wirtschaftsbeziehungen zu den USA verlieren könnte, darunter niedrigere Zollabgaben als Festlandchina. „Keine vernünftige Person kann heute angesichts der Lage vor Ort behaupten, dass Hongkong noch einen hohen Grad an Autonomie von China beibehält“, begründete US-Außenminister Mike Pompeo die Entscheidung. Bisher war die Sonderverwaltungszone von den US-Sanktionen im Handelskrieg gegen China ausgenommen.
Das jährliche Handelsvolumen für Waren und Dienstleistungen zwischen den USA und Hongkong betrug zuletzt 67 Milliarden US-Dollar.
Sollten die Sanktionen umgesetzt werden, wäre das für Peking ein schwerer Schlag. Als „höchst barbarisch, höchst unvernünftig und höchst schamlos“, verurteilte das chinesische Außenministerium Trumps schritt.
Armut steigt
Doch auch die Hongkonger Bevölkerung dürfte die Folgen massiv zu spüren bekommen. Der vormals starke Tourismussektor ist nicht erst seit Corona zum Erliegen gekommen – bereits im Herbst rasten die Zahlen wegen der Proteste nach unten.
Neben wohlhabenden Geschäftsleuten gibt es in der Metropole viele Menschen, die unter der Armutsgrenze leben – der Jobmangel hat dieses Problem weiter verschärft. Diese Menschen gehen vor allem im Stadtteil Mong Kok auf die Straße. Kommen Sicherheitskräfte, liefern sie sich in den engen Gassen ein Katz- und Maus-Spiel, manche werden von Gummigeschossen getroffen.
Doch sollten die Proteste so eskalieren wie im November oder gar noch weiter ausufern, besteht das Risiko, dass die Hongkonger Garnison der chinesischen Volksarmee ihre Tore öffnet. Und dass aus Gummi Stahl wird.
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