„Wir schauen, wo man am wirksamsten sein kann. Das sind neben der Politik auch Wirtschaftsträger. In Österreich wollen wir konkret die OMV stärker adressieren. Andere werden vielleicht auch noch zum Thema“, sagt die Studentin und Aktivistin Veronika Winter dem KURIER.
Die Grünen, die den Zielen der Bewegung nahe stehen, befürworten diese Art des Protests: „Es ist gut, dass Fridays for Future die größten Emissionsträger benennt und diese direkt adressiert. Sie zählen zu den Verursachern der Klimakrise“, sagt der grüne Umweltsprecher Lukas Hammer zum KURIER.
In Deutschland versucht Fridays for Future schon länger, einzelne Unternehmen unter Druck zu setzen. Die Berliner Fridays-for-Future-Aktivistin Franziska Wessel begründet diese Strategie so: „Wir haben 3,2 Millionen Leute mobilisiert, aber politisch ist einfach nichts passiert.“ Darum setze man nun auf kleinere Kampagnen – für schnelle Erfolge.
Diese Hoffnung hatten die deutschen Klima-Aktivisten jüngst auch bei Siemens. Der Münchner Konzern hielt aber trotz Gegenwinds daran fest, ein australisches Kohlebergwerk zu beliefern.
Trotz solcher kleineren Niederlagen wirkt das öffentliche Vorgehen der Bewegung oft professionell orchestriert. Zu professionell, monieren manche Kritiker und vermuten ein PR-Netzwerk hinter den Jugendlichen.
Ein genauerer Blick auf die Organisationsform der Klimaaktivisten offenbart das Gegenteil: Alleine in Österreich besteht die Bewegung aus 29 Ortsgruppen, geführt von ehrenamtlichen Mitgliedern, die sich basisdemokratisch organisieren. Große Sponsoren hat Fridays for Future Österreich laut eigenen Angaben keine – man finanziere sich über Einzelspenden.
Noch vertrackter ist die Organisationsstruktur des deutschen Ablegers. 700 Ortsgruppen, unzählige Arbeitsgruppen und über 1.000 Delegierte sollen bundesweite Mit- und Selbstbestimmung garantieren. Gleichzeitig kommt es immer wieder zu Streitereien, wenn ein Aktivist zu sehr in die Öffentlichkeit drängt. Luisa Neubauer ist das aktuellste Beispiel, von Medien auch als „deutsche Greta Thunberg“ gehandelt. Fehlt ein Aushängeschild wie Neubauer oder Thunberg, ist auch ziviler Ungehorsam eine Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu erregen. Fridays for Future Österreich lehnt diesen „nicht ab“, wie Winter sagt.
Das stellt Gesellschaft und Justiz vor neue Fragen, wie die Schweiz gerade zeigt. Dort steht das Thema, wie weit Klimaproteste gehen dürfen, im Mittelpunkt einer Debatte. Die Großbank Credit Suisse hat diese Woche eine juristische Niederlage eingesteckt. Ein Gericht bei Lausanne sprach zwölf Klimaschützer frei, nachdem die Bank sie wegen Hausfriedensbruchs angezeigt hatte.
Die prominenten Anwälte der Aktivisten sehen ein Urteil, das „in die Geschichtsbücher der Schweizer Rechtssprechung“ eingehen wird: Die Aktivisten wurden wegen eines „rechtfertigenden Notstands“ – der Klimakrise – freigesprochen.
Durchgeführt worden war die Aktion von Aktivisten der Schweizer Klimajugend, die sich als Teil der Fridays-for-Future-Bewegung sieht. Am 22. November 2018 packten zwölf Demonstranten in einer Credit-Suisse-Filiale in Lausanne ihre Tennisschläger aus, spannten ein Netz auf und simulierten ein Spiel.
Hintergrund: Klimaschützer kritisieren, dass die Credit Suisse den Kohleabbau und die Gewinnung anderer fossiler Brennstoffe mit Krediten finanziert. (Die Bank betont den geringen Anteil am Gesamtgeschäft.) Und die Credit Suisse sponsert den Schweizer Tennisstar Roger Federer.
Nun erkannte ein Schweizer Richter keinen Hausfriedensbruch der Klimajugend: Angesichts des drohenden und bereits festzustellenden Klimanotstands sei ihre Aktion „notwendig und angemessen“ gewesen. Die Credit Suisse ließ offen, ob sie gegen das Urteil berufen wird.
von Paul Maier, Lukas Kapeller und Michael Hammerl
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