Seither hängt der Fonds, der Europa mit einem gewaltigen Schub aus der Wirtschaftskrise katapultieren soll, gefährlich in der Luft. Bis Ende Juni müssen alle 27 EU-Staaten den Weg frei machen, damit das größte Rettungspaket in der EU-Geschichte rechtzeitig starten kann. 16 Staaten haben den sogenannten Eigenmittel-Beschluss schon ratifiziert. Sechs weitere folgen im April. Auch Österreich ist neben Ungarn, Polen und den Niederlanden noch säumig. Europa-Ministerin Karoline Edtstadler hat allerdings angekündigt: Die Regierung werde dem Nationalrat demnächst das Ratifizierungsgesetz vorlegen.
Doch alle Mühe wäre vergebens, wenn Deutschlands Verfassungsgericht dem einen Strich durch die Rechnung machte. Schließlich hatte Karlsruhe schon einmal im vergangenen Mai für gewaltige Aufregung gesorgt: Die Richter hatten der Europäischen Zentralbank vorgeworfen, bei deren Anleihekaufprogramm ihre Kompetenzen zu überschreiten.
Jetzt geht es um die Frage: Darf sich die EU gemeinsam verschulden? Und muss Deutschland für säumige EU-Länder einspringen? Vor Mai ist aus Karlsruhe keine Antwort zu erwarten. Entsprechend stark steigt die Nervosität in jenen Ländern, die großen Geldregen erwarten dürfen: Im Rahmen der sogenannten „Aufbau und Resilienzfazilität“ werden 312,5 Milliarden Euro als nicht rückzahlbare Zuschüsse vergeben. Spanien erhält am meisten: fast 70 Milliarden, gefolgt von Italien (69), Frankreich (40), Deutschland (25,6), Österreich: 3,5 Milliarden Euro.
Werden die Verfassungsrichter eine ernsthafte Erschütterung der europäischen Politik riskieren? „Das Instrument der Anleihen-Ermächtigung ist eindeutig EU-rechtswidrig“, meint der Ökonom und Chef des deutschen Thinktanks Centrum für Europäische Politik (cep), Lüder Gerken. „Insofern verwundert es mich nicht, dass Karlsruhe die Zustimmung Deutschlands zum 750-Milliarden-Euro-Paket vorerst gestoppt hat“, sagt Gerken zum KURIER: Das cep ist generell gegen eine Vergemeinschaftung von Schulden. „Wenn das Bundesverfassungsgericht allerdings an dieser Auffassung festhalten sollte, stieße es die EU ins Chaos.“ Daher werde Karlsruhe wohl „Bedenken äußern, aber das Paket werden sie letztlich nicht aufhalten“.
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