Welche Umweltkatastrophen der Ukraine nach Dammbruch drohen
Die Zerstörung des Kachovka-Staudamms hat nicht nur unmittelbar verheerende Folgen für Zehntausende, sondern wird die Umwelt Jahrzehnte belasten.
07.06.23, 14:29
Menschen, die in Schlauchbooten sich und ihre letzte Habe zu retten versuchen, verendete Kühe, die durch die überfluteten Dörfer treiben, überfüllte Notunterkünfte: Während Russland und die Ukraine sich weiterhin gegenseitig die Schuld an der Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Südukraine geben, wird das Ausmaß der unmittelbaren Zerstörung allmählich sichtbar: 80 Dörfer, aber auch Teile der Stadt Cherson, die fünfzig Kilometer flussabwärts des Damms liegt, sind überflutet, rund 40.000 Menschen verlieren in diesen Tagen ihre Heimat. 2500 Quadratkilometer Land stehen unter Wasser.
Doch das wahre Ausmaß dieser Katastrophe wird erst über Jahre, wenn nicht über Jahrzehnte sichtbar werden. Nicht umsonst spricht der ukrainische Außenminister Andrij Melnyk von der „schlimmsten Umweltkatastrophe seit Tschernobyl“. Durch die Sprengung des Damms würden Landschaften auf Dauer „in Sümpfe, andere in Wüsten“ verwandelt werden, so die pessimistischen Prognosen ukrainischer Umweltschützer. Die Folgen und ihre Ursachen im Detail.
Der in den 1950ern gebaute Staudamm hat den Lauf des Dnipro stark verändert. Inseln im Fluss, oder Feuchtgebiete sind entstanden, die jetzt überflutet sind. Die Fauna und Flora dieser Landschaften wird Jahre brauchen, um sich zu regenerieren, einen Neubau des Damms vorausgesetzt. 10.000 Hektar landwirtschaftlicher Flächen sind zumindest unbrauchbar. Sie liefern Getreide, das in die ganze Welt exportiert wird.
Landwirtschaft ohne Wasser: Der Kachovka-Stausee ist ein riesiges Wasserreservoir, das nicht nur Trinkwasser für umliegende Städte lieferte, sondern vor allem die Landwirtschaft der Südukraine versorgte. 80 Prozent der Gemüseproduktion der Ukraine ist von diesem Wasser abhängig, aber auch Weingärten und Sojaplantagen. Viele dieser Landschaften könnten sich ohne das Wasser laut Umweltschützern in Wüsten verwandeln.
Die Krim verdurstet: Der Stausee ist außerdem der wichtigste Wasserlieferant für die russisch besetzte Halbinsel Krim. Von diesem Wasser sind nicht nur Hunderttausende Zivilisten, sondern auch die dort stationierte russische Armee abhängig. Russland hat schon in den vergangenen Monaten Wasser aus dem Stausee gezielt auf die Krim umgeleitet.
Minen überall: Die russische Armee hat in Erwartung der ukrainischen Gegenoffensive die Ufer des Dnipro großflächig vermint. Zehntausende Minen sind jetzt weggespült worden, werden irgendwo angespült und stellen von jetzt an über Jahre eine unkontrollierbare Gefahr für die Menschen der Gegend dar.
Ölpest: Rund 500 Tonnen Schweröl sind in Folge der Überschwemmungen aus Raffinerielagern im Fluss gelandet und treiben jetzt als Ölteppich flussabwärts in Richtung Schwarzes Meer. Wird der nicht rechtzeitig aufgefangen, droht eine Ölpest in der Mündungsregion.
Atomkraftwerk: Das Wasser des Stausees wird für die Kühlung des Akw-Saporischschja verwendet. Eine akute Bedrohung gibt es laut UN-Atombehörde nicht, da die Wasserreservoirs voll sind. Allerdings hat Russland schon vor Monaten gewarnt, dass die Stromleitungen zum Akw durch die Überflutungen zerstört werden könnten.
Fischfang: Über die Jahrzehnte hat sich im Kachovka-Stausee und entlang des Dnipro kommerzielle Fischzucht entwickelt, die nun zum Stillstand kommt. Die Existenzen der Fischer sind gefährdet.
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