Warum Wissing das Verbrenner-Aus in der EU nicht kippen kann
Mitte Februar hat das EU-Parlament endgültig für das Aus des Verbrennungsmotors gestimmt: Ab 2035 sollen in der EU nur noch Neuwagen verkauft werden, die keine Treibhausgase ausstoßen.
Eine umstrittene Entscheidung – vor allem der Autobau- und -fahrnation Deutschland treibt sie Schweißperlen auf die Stirn. Der liberale Verkehrsminister Volker Wissing hat deswegen am Dienstag mit einem Veto beim Rat aller europäischen Verkehrsminister am 7. März gedroht. Und schreckte damit vor allem die deutsche Medienwelt auf.
Aus für Verbrennungsmotor trifft auch E-Fuels
Was Wissing stört? Dass das Verbot der Nutzung auch Autos betrifft, die durch synthetische Kraftstoffe, sogenannten E-Fuels, angetrieben werden. "Vor dem Hintergrund der enormen Bestandsflotte an Pkw, die wir alleine in Deutschland haben, kann es für die FDP nur einen Kompromiss bei den Flottengrenzwerten geben, wenn auch der Einsatz von E-Fuels möglich wird", so Wissing. Sonst könne Deutschland nicht zustimmen.
Wird Wissing das Verbrenner-Aus in der EU damit kippen können?
Die Antwort ist für den Verkehrsminister ernüchternd: Nein. Denn der Rat aller europäischer Verkehrsminister kommende Woche ist nur mehr ein letzter, rein formaler Akt. An der Einigung von Parlament und Europäischem Rat ändert dieser nichts mehr.
E-Fuels sind Kraftstoffe, die mithilfe erneuerbaren Energien synthetisch hergestellt werden. Sie sind also nicht mineralischen Ursprunges und stammen nicht aus fossilen, endlichen Ressourcen wie etwa Erdöl.
Beim Herstellungsprozess wird aus grünem Strom hergestellter Wasserstoff mit CO₂ aus der Luft zu einem Kohlenwasserstoff und damit zum Grundbaustein von flüssigen Kraftstoffen synthetisiert. In der Gesamtbetrachtung werden diese E-Fuels als CO₂-neutral eingestuft, da bei Ihrer Herstellung genau so viel CO₂ aus der Atmosphäre im Kraftstoff gebunden wird, wie später bei der Verbrennung wieder emittiert wird.
Zudem gilt in dem Rat das Prinzip der qualifizierten Mehrheit von mindestens 15 EU-Ländern, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung umfassen. Das heißt, eine Ablehnung in dieser Versammlung ist kein Veto, wie in manchen Medien berichtet wurde. Wahrscheinlich ist, heißt es aus Brüssel, dass sich mehrere Länder, darunter auch Italien, dagegen äußern werden. Für eine blockierende Minderheit wird das aber nicht reichen, Deutschlands Nein wird wohl überstimmt werden.
Warum Wissing das Thema jetzt aufgreift und die Blockade groß ankündigt, wird wohl auch andere Gründe haben: Denn für die FDP läuft es in der Innenpolitik Deutschlands gerade weniger gut.
Wissing will Linie beweisen
Bei der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus hat die Partei auf 4,6 Prozent der Stimmen abgerutscht, ist jetzt außerparlamentarische Opposition. Im Vorjahr ist sie aus den dem Landtag im Saarland und in Niedersachsen gefallen; in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gelang ihr zwar der Wiedereinzug, musste aber die Regierung verlassen.
Damit hat die FDP bei keiner einzigen Landtagswahl Stimmen dazugewonnen, seit sie im Bund gemeinsam mit SPD und Grüne die Ampel-Regierung stellt.
Wie die FDP damit umgehen soll, darüber gibt es zwei unterschiedliche Meinungen innerhalb der Partei: Jene, die sagen, die FDP muss auf Bundesebene stärker ihre Linie vertreten. Dafür plädiert etwa die liberale Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg; im Streitgespräch mit der Zeit betonte sie, ihre Partei dürfe sich nicht länger an Rot-Grün anbiedern.
Ex-FDP-Innenminister Gerhart Baum hingegen ist für "eine Zeitenwende auch bei der FDP": "Eine liberale Partei muss gerade jetzt in diesem Epochenbruch ihre Existenznotwendigkeit unter Beweis stellen." Allerdings nicht als "Störenfried, [...] sondern als Kraft, die gestalten und modernisieren will." Er empfiehlt der Partei "mehr Wärme und mehr Zutrauen in den Staat".
Wissing scheint wohl eher einer Meinung mit Teuteberg. Und dürfte dafür die EU-Bühne nutzen.
Deutschland setzt Zulassung für E-Fuels durch
Am Dienstagnachmitag wurde dann bekannt, dass zumindest national E-Fuels für Verbrennerautos zugelassen wurden. Bisher sei das Tanken rechtlich nicht möglich gewesen, künftig dürften sie an öffentlichen Tankstellen verkauft werden.
Experten weisen seit längerem daraufhin, dass E-Fuels im Vergleich zu Elektromotoren deutlich ineffizienter sind. Größter Nachteil ist der Wirkungsgrad. Um einen Liter E-Fuel herzustellen, sind 16 bis 27 Kilowattstunden Strom nötig. Eine 2021 erschienene Studie des deutschen Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) warnte, auf E-Fuels statt auf die Elektrifizierung zu setzen. Behalte man Verbrennungstechnologien bei, könnte eine Verlängerung der Abhängigkeit von fossilen Energien drohen - und somit ein weiterer Ausstoß von Treibhausgasen, die den Planeten noch mehr erhitzen und ihn so in immer mehr Weltregionen für die Menschheit unbewohnbar machen.
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