In seinem ersten Jahr als Oppositionschef blieb der 67-Jährige seinem Stil treu: Wortgewandt, aber stets polternd wurde meist seine Rhetorik, nicht seine Inhalte, von politischen Mit- und Gegenspielern aufgenommen.
So urteilte Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner erst am Samstag, wer wie Merz derart pauschal über einen Teil der Bevölkerung spreche, könne „keinen Führungsanspruch für das moderne Deutschland begründen“. Selbst aus der eigenen Partei ebbt die Kritik nicht ab: „Die CDU ist gut beraten, wenn sie Zuwanderung als etwas Positives begreift“, richtete Parteikollege und Ministerpräsident Daniel Günther aus Schleswig-Holstein aus.
Zerrissene Union
Die Union ist zerrissen, das beweist die aktuelle Debatte erneut. Merz gelang es bisher nicht, die Gräben zwischen seinen Anhängern und den gemäßigteren Anhängern der Politik von Angela Merkel zu schließen.
Aus Sicht seiner Kritiker steht Merz sinnbildlich für die Krise der konservativen Partei. Bei Jungwählern und Frauen kommt die Union schlecht an, das durchschnittliche Mitglied ist – wie Merz – bürgerlich, männlich und jenseits der 60 Jahre. Ein Klientel, das Merz mit rechteren Positionen befriedigen will.
Dabei konnte 2022 ausgerechnet das gemäßigte Lager auf Landesebene Erfolge feiern: Jüngere Kandidaten wie Hendrik Wüst (47) in Nordrhein-Westfalen oder der oben genannte Daniel Günther (49) gewannen ihre Wahlen – beide regieren seither gemeinsam mit den Grünen.
Doch das ist die Realität in Westdeutschland. Im Osten sieht sich der sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer damit konfrontiert, dass ihn jeder bundespolitische Schritt nach links Stimmen an die AfD kostet.
Im Versuch, einen Strang zu flechten, an dem in Zukunft gezogen werden könnte, ordnete Merz die Ausarbeitung eines Grundsatzprogramms an, das die Parteilinie in aktuellen Fragen vorgeben soll. Zum Beispiel beim Klimaschutz, wo es der Union an klarem Profil fehlt.
Die Frage, wer die Partei in die nächsten Wahlen führt, lässt sich damit nicht klären. Fest steht: Merz ist auch nach einem Jahr an der Spitze bei der Mehrheit der Deutschen unbeliebt. Dem ARD-Deutschlandtrend zufolge sind nur 29 Prozent der Befragten mit seiner Arbeit als Oppositionschef zufrieden.
Kommentare