Wo man in Europa um null Euro durchs ganze Land fahren kann
Mit Malta stellt das zweite EU-Land auf kostenlosen öffentlichen Verkehr um. Auch in Luxemburg und in vielen französischen Gemeinden will man so Klimaschutz forcieren.
Nicht nur in Österreich treibt der Spritpreis vielen Bürgern Schweißtropfen auf die Stirn.
Die ideale Gelegenheit, das Auto stehen zu lassen und stattdessen Bus, Bahn oder Bim zu nehmen. Noch idealer wäre es in diesem Fall, wenn der gesamte öffentliche Verkehr gratis wäre.
Ein frommer Wunsch? Nicht wirklich, so hat sich beispielsweise Deutschland mit dem Neun-Euro-Ticket gerade einmal einen Sommer lang beinahe kostenlose Bahnreisen gegönnt – und feilscht gerade um eine Fortsetzung der Aktion. Und in Luxemburg ist das Null-Euro-Ticket für den öffentlichen Verkehr bereits seit 2020 Realität. Malta folgte diesem Beispiel als zweiter europäischer Staat: Seit Anfang Oktober können alle auf der Insel lebenden Bürger die Busse benutzen, ohne dafür bezahlen zu müssen.
Notfallplan
Zurück nach Luxemburg. Wer sich nach einem Ticketschalter umblickt, sucht vergeblich. Ob Stadtbewohner, Pendler oder Tourist – jeder darf in der hypermoderne Straßenbahn mit ihren helltürkisen Sitzen gratis fahren. An die 75.000 Passagiere sind es mittlerweile jeden Tag – fast vier Mal so viele wie vor der Einführung des Gratistickets.
Für das kleine Großherzogtum war der Einstieg in den Gratis-Verkehr eine Notbremse. Ohne Staus vergeht in der Hauptstadt kein Tag, mehr Autos verträgt das Land nicht mehr: Fast 700 Pkw kommen auf je 1.000 Einwohner – so viele wie sonst in keinem EU-Land. Zum Vergleich: In Österreich kommen auf 1.000 Einwohner 571 Fahrzeuge.
Ausgebaut werden deshalb auch landesweit das Bahnnetz und die Bussysteme. Das kleine, reiche Herzogtum Luxemburg kann es sich leisten: Der gesamte öffentliche Verkehr ist steuerfinanziert.
Dass das Fahren zum Nulltarif große Löcher ins Budget reißt, musste die belgische Stadt Hasselt schmerzhaft erfahren. Die 80.000-Einwohner-Stadt wurde 1997 bekannt, als sie als allererste die kostenlose Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel einführte. Das ging 15 Jahre lang gut, dann kippte die Stadtverwaltung das Konzept – es war zu teuer.
Im benachbarten Frankreich hingegen muss man in bereits 37 Gemeinden kein Ticket mehr lösen, eine davon ist das nordfranzösische Dünkirchen. "100 Prozent umsonst an sieben von sieben Tagen" – das steht in großen Buchstaben auf den quietschgrünen Bussen der Kleinstadt. Seit 2018 wurde das Busnetz ausgebaut, die Flotte erneuert, die Frequenz der Fahrten erhöht – seither hat sich die Auslastung verdreifacht. Zuschüsse dafür gibt es von der Region und einem speziellen Steuertopf.
Doch der Autoverkehr hat sich nach Angaben der Stadt nur um drei Prozent verringert. Die Schuld dafür sehen Umweltschützer vor allem darin, dass die Parkplätze in Dünkirchen noch immer gratis sind. Pensionist Jean-Luc aber, der früher jeden Tag mit dem Auto fuhr, steigt jetzt nur noch einmal in der Woche für den Großeinkauf ins Auto, schilderte er dem Sender France-Info. "Die Benzinpreise sind ja verrückt. Da nehme ich lieber den Bus und spare mir hunderte Euro."
Erfolgreiches Wahlzuckerl
Mit anhaltendem Erfolg kann auch Tallinn aufwarten. Dabei ging es in der Hauptstadt Estlands erst gar nicht um den Klimaschutz, sondern um ein Wahlzuckerl: Die ärmeren Stadtbewohner sollten wieder Bus fahren können – mit zusätzlichen Steuereinnahmen wird das Konzept seit 2013 finanziert. Mittlerweile sind Bus und Bahn sogar in den meisten Landkreisen des baltischen Staates kostenlos. Estlands Erfahrung bisher: Der Autoverkehr sank um fünf Prozent – erst seit die Spritpreise in die Höhe gingen, lässt sich ein noch stärkerer Rückgang feststellen.
Generell berichten Verkehrsexperten, dass der Öffi-Nulltarif allein nicht reiche, um die Bürger dazu zu bringen, das Auto stehen zu lassen. Es müsse ein Mix sein: mehr Öffis, mehr Strecken, höhere Frequenzen – und gleichzeitig Schritte, die das Autofahren weniger attraktiv machen: teurer Sprit, teure Parkplätze, hohe Abgaben.
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