Wirecard: Staatsanwalt heftet sich an die Fersen von Jan Marsalek
„Ich hatte irgendwie den Eindruck, als wollte Jan Marsalek auch ein Geheimagent sein“, sagte Martin W., früher Abteilungsleiter im österreichischen Verfassungsschutz, bei seiner Einvernahme durch Beamte des Bundeskriminalamts in Wien. Das war am 23. Jänner 2021. Zur selben Zeit soll sich der mutmaßliche Wirecard-Großbetrüger Marsalek 2.000 Kilometer nordöstlich in einem noblen Vorort von Moskau aufgehalten haben.
Dort, in einer von Zäunen und Wachleuten gesicherten Wohnanlage, soll der russische Inlandsgeheimdienst FSB den flüchtigen Österreicher Marsalek, 42, damals untergebracht haben.
Der per Interpol zur Fahndung ausgeschriebene Ex-Wirecard-Vorstand dürfte die Verstecke seitdem aber immer wieder gewechselt haben. „Das ist ein Mindestmaß an Konspiration, das professionelle Nachrichtendienste an den Tag legen“, sagt ein österreichischer Experte. „Ein Klingelschild mit dem Namen Marsalek werden sie in Moskau nicht finden.“
Doch die deutsche Justiz, die Marsalek per Haftbefehl sucht, kommt ihm nun schon etwas näher. Laut Bild-Zeitung hat die zuständige Staatsanwaltschaft München I „ein sogenanntes Inhaftnahmeersuchen an den Kreml abgeschickt“. Dieses Rechtshilfeersuchen zwecks Auslieferung wurde noch vor Ostern vom deutschen Justizministerium über das Außenamt und die deutsche Botschaft in Moskau den russischen Sicherheitsbehörden übermittelt.
Keine Einvernahme
Die Vorgeschichte ist eher kurios. Wie berichtet soll der russische Inlandsgeheimdienst FSB dem Residenten des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) in Moskau, also dem offiziellen BND-Repräsentanten, eine Einvernahme Marsaleks angeboten haben. Der BND lehnte dankend ab, ist er doch im Fall Wirecard der falsche Adressat. Doch der BND hatte in Moskau Informationen über Marsalek gesammelt.
In weiterer Folge sollen die Münchner Strafverfolger in der BND-Zentrale in Berlin in der Causa gebrieft worden sein, um die Auslieferung des mutmaßlichen Milliardenbetrügers beantragen zu können. Zur Rechtshilfe will sich die Staatsanwaltschaft München I direkt nicht äußern.
Nur so viel: „Wenn sie herausfinden, wo die Adresse einer gesuchten Person sein könnte, dann können sie beim anderen Staat anfragen, dass die Polizeibeamte dorthin schicken und ihn in Haft nehmen“, sagt die Münchner Oberstaatsanwältin Anne Leiding zum KURIER. „Es ist nicht so, dass wir uns direkt an den Kreml oder den FSB wenden könnten.“
Marsalek, der am 19. Juni 2020 mit einem Privatjet von Bad Vöslau nach Minsk geflohen war, hat gern mit seiner angeblichen Nähe zu Geheimdiensten kokettiert. Zum österreichischen Verfassungsschutz hatte er nicht nur über Martin W. Kontakte. Auch ein anderer BVT-Beamter soll ihm dienlich gewesen sein. Hier kommt wieder der russische Geheimdienst ins Spiel. Der Beamte soll im Polizeicomputersystem EKIS die Daten der mutmaßlichen russischen Spionin Ekaterina Z. abgefragt haben. Dass Marsalek der Auftraggeber war, ist nicht unwahrscheinlich.
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