Wien-Ankara: Neuer Krieg der Worte

Streit um Wahlkampfauftritte: Kanzler Kurz will Reden türkischer Politiker hierzulande verhindern, Präsident Erdoğan droht.

Zwischen der Türkei und Österreich ist wieder ein heftiger Schlagabtausch entbrannt. Der Grund: Im Land am Bosporus finden am 24. Juni vorgezogene Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Da bei solchen Anlässen türkische Politiker vor allem der regierenden AKP von Staatschef Recep Tayyip Erdoğan gerne ausschwärmen, um bei wahlberechtigten Auslandstürken auf Stimmenfang zu gehen, hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz sofort klargestellt: Nicht bei uns. Die Replik Erdoğans erfolgte am Wochenende, und sie hatte es in sich.

„Hohen Preis zahlen“

„Diese von Österreich ergriffenen Maßnahmen werden auf das Land selbst zurückfallen“, zog der Präsident vom Leder, „der Kampf der Türkei für die Demokratie kann nicht einfach eingeschränkt werden.“ Jene, die das behinderten, würden „einen hohen Preis zahlen“. Es gebe jedenfalls Vorbereitungen für Veranstaltungen im Ausland „vor 10.000, 11.000 Leuten“ – um welche Länder es sich dabei handelt, ließ Erdoğan offen.

Diese Kampfansage beeindruckte in Wien wenig. „Türkische Wahlkampfauftritte sind in Österreich unerwünscht, und wir lassen sie daher auch nicht mehr zu“, sagte ein Kurz-Sprecher. Seit Jahren versuche Ankara „türkischstämmige Communities in Ländern wie Deutschland, den Niederlanden oder Österreich zu instrumentalisieren“.

„Arger Despot“

Europa-Minister Gernot Blümel ergänzte im KURIER-Gespräch: „Ausländische Konflikte sollen nicht auf österreichischem Boden ausgetragen werden – das war seit jeher meine Überzeugung. Und dabei bleibt es.“ Der türkische Wahlkampf „hat in Österreich nichts verloren. Das führt zu einer unnötigen Aufladung und provoziert alle Seiten“.

Und Außenministerin Karin Kneissl sagt in einem Telefonat mit ihrem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu: „Wir sind nicht Ansprechpartner für die türkische Innenpolitik“, diese müsse in der Türkei diskutiert werden.

Wobei es in der Frage der klaren Ablehnung einen parteiübergreifenden Konsens gibt. Auch der außenpolitische Sprecher der oppositionellen SPÖ, der geschäftsführende Klubobmann Andreas Schieder, ist strikt gegen derartige Wahlkampfauftritte – speziell von Erdoğan: „Ich halte ihn für einen argen Despoten, der die Demokratie, die Meinungs- und Pressefreiheit schrittweise unterdrückt. Das sollen wir nicht fördern“, so der Sozialdemokrat zum KURIER. Aus der Vergangenheit wisse man, dass solche Reden, ob in Deutschland oder Österreich gehalten, das Zusammenleben untergraben und zu einer „Radikalisierung“ geführt hätten.

Streit gab es schon 2017

Mittlerweile gibt es für die Abweisung von wahlwerbenden Politikern aus dem Ausland auch eine gesetzliche Handhabe. Vor rund einem Jahr wurde beschlossen, dass man solche Auftritte verbieten kann, wenn es dafür integrations- oder außenpolitische Gründe gibt. Ausschlaggebend für dieses Gesetz war der Streit zwischen Wien und Ankara um Kampagnen hierzulande vor dem Verfassungsreferendum in der Türkei am 16. April 2017 (siehe rechts), für das die AKP geworben hatte.

Auch damals flogen zwischen Österreich (und den Niederlanden) sowie der Türkei die Fetzen. Zu einer Erdoğan-Show in der Alpenrepublik kam es nicht. Doch mit seinen verbalen Ausritten surfte er auf einer nationalistischen Welle zu einem – wenn auch knappen – Erfolg bei dem Volksentscheid. Aber auch der damals im Wahlkampf stehende konservative Premier Mark Rutte profitierte von seiner harten Rhetorik gegenüber Erdoğan – und fuhr einen Sieg ein. Später segelte auch Sebastian Kurz nicht nur, aber auch wegen seines strikten Anti-Türkei Kurses ins Kanzleramt.

„Brauchen das nicht“

Der letzte Wahlkampfauftritt Erdoğans in Wien datiert im Übrigen aus dem Jahr 2014. Bereits damals war die Veranstaltung in der Kagraner Albert-Schultz-Eishalle vor 13.500 Anhängern höchst umstritten. Kurz traf in seiner Funktion als Außenminister den damaligen türkischen Premier im Anschluss zu einem Gespräch. Und habe ihm gesagt, dass „wir das nicht brauchen“.

Auch Thema in den USA

Die neuerliche Frontstellung schwappte sogar über den Atlantik über. Am Rande der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank (siehe Seite 14) in Washington nutzte Österreichs Finanzminister Hartwig Löger ein Treffen mit seinem türkischen Amtskollegen und Vizepremier Mehmet Simsek für die Bitte, den Wahlkampf nicht (wieder) nach Österreich zu tragen. Der türkische Politiker habe – entgegen seinen daheim gebliebenen Mitstreitern – Verständnis für das österreichische Anliegen gezeigt, erzählte Löger danach in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten.

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