"Wie soll das jemals ein Staat sein?"
"In dieser Stadt bist du verdammt und lebenslang inhaftiert." Monem Awad ist Rapper. Er nennt sich Fawda, was so viel heißt wie Chaos. Chaos herrscht auch in seinem Kopf. Monem ist 25, freundlich, witzig, gebildet. Aber verzweifelt auf der Suche. Nach einer Frau, nach einem Job.
Drei Kriege erlebt
"Was nur als humanitäre Katastrophe oder Zentrum des Terrors in die Medien kommt, ist ein normaler Lebensraum", sagt Bo Shak, ein leitender UN-Mitarbeiter in Gaza. Er macht sich aber vor allem um die Kinder Sorgen: "Sie sind sauber, gut angezogen, lernfreudig. Sie wollen Doktoren werden, Anwältinnen, Geschäftsleute." Doch ein Kind, das heuer in die Schule kommt, hat bereits drei Kriege miterlebt (2008, 2012, 2014). "Warum sollte es immer noch lernen wollen?"
Arbeit, Wasser, Energie, Import – das sei es, was die Bevölkerung brauche. Und die Situation habe sich seit dem letzten Gazakrieg erneut verschlechtert, meint Monem Awad: "Während des Krieges war das Leben schlimm. Aber jetzt ist es schlimmer. Vorher hatten wir acht Stunden Elektrizität. Jetzt sechs. Und die Menschen finden ihre Leidenschaft für die Zukunft nicht mehr – weil sie damit beschäftigt sind, Brot zum Essen zu finden. Das Einzige, worüber man sich in der Zukunft Gedanken macht, ist: Wird es wieder Krieg geben oder nicht?"
Granaten fliegen tief
An dem Tag des Gesprächs mit Monem sieht es fast so aus, als stünde der nächste Krieg vor der Tür. Die Israelis haben einen weiteren Tunnel gefunden, der aus dem Gazastreifen hinein in israelisches Territorium führt. Die Terrororganisation Hamas, die im Gazastreifen regiert, nutze Tunnel wie diesen, um ungesehen Waffen nach Gaza und Kämpfer auf israelisches Gebiet zu bringen. Als sich die israelischen Soldaten dem Tunnelausgang genähert hatten, wurden sie von Gaza aus beschossen. Israel antwortete mit weiterem Beschuss. Vier Menschen starben. So geht das seit Jahren. Die Hamas und Verbündete kämpfen gegen die israelische Armee. Leidtragende sind die Gazaner.
Kein Holz für Möbel
Die israelische Abriegelung, die schon vor 2007 den Gazastreifen beherrscht hatte, wurde nach der Machtübernahme der Hamas zur Blockade. Etliche Waren konnten nicht mehr eingeführt werden. 2010 lockerte Israel die Blockade, seither sind nur noch Güter verboten oder beschränkt, die zum Waffenbau genutzt werden können. Dass aber auch etwa Eisen und Beton darunter fallen, birgt große Schwierigkeiten für die Zivilbevölkerung.
"Die gesamte Holzmöbel-Industrie wurde so zerstört", sagt UN-Mitarbeiter Shak. Denn das Holz, das eingeführt wird, darf wegen der aktuellen Bestimmungen nicht breiter sein als einen Zentimeter. Aber auch andere Waren fallen unter die Blockade, die etwa zum Maschinenbau benötigt werden. Zaina Dahamsa hat früher in einer Nähfabrik gearbeitet. Doch seit die Gaza-Blockade die Einfuhr des Materials und den Export beschränkt hat, hat die Fabrik geschlossen, ihr Job ist weg, Zaina, wie über eine Million Gazaner, auf Hilfe angewiesen.
Eine Zeit lang kamen Waren über Schmugglertunnel entlang der südlichen Grenze aus Ägypten. Die Tunnel sind mittlerweile zerstört, der Grenzübergang nur selten geöffnet. Die nördliche Grenze nach Israel gleicht einem Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses. Ausreisen kann man nur im Spezialfall. Etwa um medizinische Hilfe in Israel zu bekommen.
Getrennte Völker
Gaza und Westbank. Das sollte einmal Palästina werden. "Das kann ich mir nicht mehr vorstellen", sagt eine 28-jährige Palästinenserin aus Ramallah, die für eine Entwicklungsorganisation alle paar Monate nach Gaza reist. "Die Menschen hier sind ganz anders als im Westjordanland." Sie spricht von extrem konservativen Weltanschauungen in Gaza und schlechter Bildung. "Es wird schwer, das zu einem Staat zu machen. Sie haben uns nicht nur physisch, sondern auch auf psychologischer Ebene getrennt."
Der Israel-Palästina-Konflikt, die Gaza-Blockade, die Hamas-Herrschaft und die vielen Restriktionen im Westjordanland machen der palästinensischen Zivilbevölkerung das Leben schwer. Allein im Gazastreifen sind rund 80 Prozent der 1,8 Millionen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, drei Viertel der Bevölkerung gelten als Flüchtlinge, denn sie leben (teilweise seit Generationen) in provisorischen Lagern.
Hilfe kommt von USAid, der EU, Dutzenden NGOs und von vielen einzelnen Staaten. Auch von Österreich in Form der Austrian Development Agency (Österreichische Entwicklungsagentur ADA), die die palästinensische Zivilbevölkerung auf verschiedenste Weise unterstützt.
Rund vier Millionen Euro stellt Österreich jährlich für die palästinensischen Gebiete bereit (Tendenz derzeit steigend). Die Hilfe spielt sich aber auf mehr Ebenen als nur auf der finanziellen ab. So werden etwa Know-how für nachhaltige strukturelle Verbesserungen vermittelt, Pilotprojekte gestartet und in den Abläufen die Effizienz verbessert.
Ein Beispiel ist die Wasserversorgung im Gazastreifen. Dort baut die ADA nicht nur die Wasser-Infrastruktur, die im jüngsten Krieg zerstört wurde, wieder auf, sondern hilft den palästinensischen Partnern auch bei der Koordination von Projekten zur Wasserversorgung. Auch eine Entsalzungsanlage hat sie finanziert, die täglich 650 m³ Meerwasser zu Trinkwasser aufbereitet. Das reicht für mehr als 8000 Menschen.
TeufelskreisRobert Zeiner, der Leiter der Projektabteilung ADA, bekräftigt die Wichtigkeit der österreichischen Hilfe: „Wir sind nicht die größten Unterstützer, werden aber für unsere Glaubwürdigkeit geschätzt.“ Ziel – auch Österreichs – sei es, dort Frieden herzustellen. „Der Teufelskreis aus Gewalt und Gegengewalt soll – auch durch unsere Hilfe – durchbrochen werden “, sagt Zeiner.
Die Herausforderungen bei der Arbeit der ADA in den Palästinensergebieten lägen vor allem in den Restriktionen: Es herrschen eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten, mittelfristig sei es schwierig, eine eigenständige Wirtschaft herzustellen.
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