Wie sich US-Frauen für drohendes Ende des Abtreibungsrechts wappnen
Was früher der Kleiderbügel der „Engelmacherin“ war, ist heute das Misoprostol. Das künstlich hergestellte Hormon, das gegen Magengeschwüre eingesetzt wird, löst Wehen aus. Mit selbst hergestellten Misoprostol-Tabletten können Frauen eine ungewollte Schwangerschaft in den ersten zehn Wochen abbrechen, wenn das in ihrem Land verboten ist.
Ein mittlerweile kaum mehr auffindbares Internetvideo, das die Herstellung derartiger Pillen beschreibt, wurde in den letzten Wochen in den USA auffallend oft aufgerufen.
Das berichtete der Urheber des 2021 entstandenen Clips, Michael Laufer, dem Spiegel. Er gehört einer Aktivistengruppe an, die sich dem freien Zugang zu Medikamenten verschrieben hat. Da Misoprostol auch bei kranken Pferden eingesetzt wird, ist es in den USA leicht erhältlich.
Illegal in bis zu 26 US-Staaten
Anfang Mai war durch Politico bekannt geworden, dass das von Ex-Präsident Donald Trump konservativ gepolte US-Höchstgericht bis Anfang Juli das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche kippen könnte.
Konkret geht es um die Aufhebung des Grundsatzurteils „Roe vs. Wade“ von 1973, das Abtreibungen bis zum Zeitpunkt der Lebensfähigkeit des Fötus (23./24. Woche) gestattet. Bisher hinderte es einzelne Bundesstaaten an der Durchsetzung lokaler Verbote. Kommt es zu Fall, wäre Abtreibung plötzlich in bis zu 26 der 50 US-Staaten illegal.
Taxifahrer macht sich strafbar
Was das bedeuten würde, sieht man in Texas. Dort sind Abtreibungen seit 2021 per Haftandrohung verboten, wenn der Herzschlag des Embryos registrierbar ist. Das ist wenige Wochen nach der Befruchtung der Fall, wenn manche Frauen erst kurz oder noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind.
Strafbar machen sich in Texas nicht nur die Frauen, sondern alle , die ihnen helfen – selbst der Taxifahrer, der sie zum Arzt bringt.
Um bei einer Aufhebung von „Roe vs. Wade“ gar nicht erst in eine Lage zu kommen, die eine juristische Verfolgung nach sich ziehen könnte, werden Frauen in vielen Regionen der USA gezwungen sein, zu selbst hergestellten Mitteln zu greifen oder sie mithilfe von Aktivisten im Ausland zu besorgen. Die Gruppe Aid Access etwa hat ein Netzwerk an Ärzten auch in Europa, das Frauen in Ländern mit Abtreibungsverboten Rezepte ausstellt, die teils über indische Apotheken zugestellt werden. Was lange dauern kann.
Teure Reise ins Ausland
Frauen, für die nur eine chirurgische Abtreibung infrage kommt, müssten bei einem Verbot in ihrem US-Heimatstaat in einen liberaleren Bundesstaat ausweichen, beispielsweise nach Kalifornien. Oder ins Ausland: Sowohl Kanada als auch Mexiko haben zugesichert, Frauen nicht abzuweisen und entweder kostenlos oder um wenige hundert Dollar zu behandeln.
Eine (Flug-)Reise ist in den USA mit ihrer schlechten Öffi-Versorgung teuer, eine Auslandsreise ist für viele ohnehin unleistbar. Ein Ende des Rechts auf Abtreibung würde vor allem zu Lasten ärmerer Bevölkerungsschichten gehen, warnen Experten.
Mehrere große US-Unternehmen haben zugesagt, ihren Mitarbeiterinnen künftig die Anreise zu einer Abtreibung zu zahlen, darunter Starbucks, Citigroup, Apple, Tesla und Amazon. Die Mietwagenfirmen Uber und Lyft wollen Prozesskosten übernehmen, sollten ihre Fahrer wegen Beihilfe zu einer Abtreibung belangt werden.
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