Wie sich Finnland auf russische Aggression vorbereitet
Der Krieg in der Ukraine – wie Finnland ein Nachbar Russlands ohne Mitgliedschaft in einer Verteidigungsallianz – hat das nordische Land aufgerüttelt. „Wir haben keine Angst, aber wir sind hellwach“, formulierte es Staatspräsident Sauli Niinistö. Kein Wunder, hat der EU-Staat doch eine gemeinsame Grenze von rund 1.300 Kilometern mit dem Reich von Kreml-Chef Wladimir Putin.
Eine Vielzahl von Freiwilligenorganisationen bereitet sich derzeit auf eine noch schärfere Krise oder gar Krieg vor. Nach Umfragen wollen vier von fünf Finnen an Maßnahmen der Landesverteidigung teilnehmen.
Etwa an Kursen der vom Staat gestützten Freiwilligen-Organisation „Nationales Verteidigungstraining“. Diese bietet Schulungen etwa in den Bereichen Cybersicherheit, psychische Stärke in der Krise oder Waffentraining an. Vermittelt werden auch Möglichkeiten, wie man notfalls ohne Strom den Alltag meistert.
Aufgrund des Krieges in der Ukraine sind mittlerweile 62 Prozent der Finnen dafür, dass ihr neutrales Land der NATO beitritt, das Parlament will darüber im Frühjahr entscheiden. Russland ist sauer und hat eine Drohkulisse aufgebaut: Das Außenministerium in Moskau sprach von möglichen „Vergeltungsmaßnahmen“, sollte sich das Land für eine Mitgliedschaft entscheiden.
„Russische Hybrid-Attacken und illegale Geheimdienstaktivitäten stellen derzeit die größte Bedrohung für Finnland dar“, erläutert Antti Pelttari, Direktor des finnischen Inlandgeheimdiensts SUPO.
Dass der östliche Nachbar eine Bedrohung darstellt, ist den Finnen aus der Geschichte bekannt: Im Zweiten Weltkrieg wurde 1939 und 1944 eine sowjetische Offensive abgewehrt, in den darauffolgenden Verhandlungen musste jedoch Moskau mit finnischem Entgegenkommen besänftigt werden: Neutralität sowie ein beständiger Dialog mit dem Nachbarn im Osten waren die wichtigsten Elemente der finnischen Sicherheitsarchitektur der vergangenen Jahrzehnte.
Dies ist jetzt jedoch mit einem Fragezeichen zu versehen – Finnland beliefert die Ukraine mit Waffen, das nächste Telefongespräch zwischen Putin und Niinistö lässt auf sich warten.
Extrem wehrbereit
Die Wehrpflicht wurde in Finnland nie aufgehoben, und die Ausbildung gilt als hart – 15 Prozent der Eingezogenen scheiden wieder aus, oft aus psychischen Gründen. Dennoch kann das Land mit seinen 5,5 Millionen Einwohnern auf 900.000 Soldaten zurückgreifen, inklusive Reservisten.
Wie sehr Finnland eine solide Krisenvorbereitung ernst nimmt, zeigte sich auch zu Beginn der Corona-Pandemie. Da konnten aus einem geheim gehaltenen Netz von „Bereitschaftslagern“ Schutzmasken zur Verfügung gestellt werden. Auch hat das Land für sechs Monate Treibstoff und Getreide gehortet, pharmazeutische Unternehmen sind zum Aufbewahren wichtiger Medikamente für den Ernstfall verpflichtet.
Durchgespielt werden bei Treffen von Firmenchefs, Politikern und Militärs Stromausfall, Cyberangriffe und sogar Wasservergiftung.
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