Eine jedoch, die zuweilen heiß wird. 2018 etwa, als der russische Ex-Spion Sergei Skripal in Großbritannien mit einem seltenen Nervengift vergiftet wurde; oder erst im Sommer dieser Jahres, als in Berlin der Tschetschene Zelimkhan Khangoshvili erschossen wurde. Aber auch, als im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Skripal-Fall im Umfeld eines Chemiewaffen-Analyse-Labors ein russisches Spionage-Team aufflog.
In all diesen Fällen wurden Agenten des russischen Militärgeheimdienstes GRU als Hauptverdächtige identifiziert. Hinzu kommen breit angelegte Internetkampagnen, die auf russische Urheber zurückgeführt werden und die Formung der öffentlichen Meinung vor wichtigen Wahlen zum Ziel haben. Stichworte: US-Wahl, Brexit-Referendum, Deutschland-Wahl, EU-Wahl. Und schließlich: Mehr oder weniger offene Unterstützung für EU-feindliche Parteien vor allem aus dem rechten Spektrum.
Russlandexperte Stefan Meister spricht von der „schwierigsten Phase in den Beziehungen seit dem Ende des Kalten Krieges“. Ein „hohes Maß an Entfremdung“ bestehe zwischen Europa und Russland. Und eines sei klar: Man habe von Anfang an seit den 1990er-Jahren in der EU die falsche Vorstellung gehabt, was aus Russland werden würde: Nämlich ein in den europäischen Raum integrierter Staat. Russland sei heute viel eher ein strategischer Gegner. Und das nicht wegen Konkurrenz in der unmittelbaren Nachbarschaft, so Meister. Sondern wegen grundlegender weltanschaulicher Differenzen, was demokratische Standards, Menschenrechte, Staatsverständnis angehe.
„Yes, I am happy“ hatte Russlands Machthaber Wladimir Putin nach seinem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Paris am Montag gesagt. Und glücklich kann er auch sein. Denn lauter denn je wird in der EU über eine Aufweichung der Sanktionen gegen Russland nachgedacht. Sanktionen, die Russland wirtschaftlich schmerzen.
Die Sanktionen laufen mit Jahresende aus. Sie werden wohl verlängert werden. Aber eine Tendenz zeichnet sich ab: Mehr Gespräche mit Russland, mehr Dialog, mehr Einbindung ist der Tenor. Etwas, das der Russland-Experte Gerhard Mangott als prinzipiell Positives sieht. Als einen Versuch, aus der verzwackten Situation herauszukommen.
Der Kern des Problems allerdings, wie ihn Meister und Mangott identifiziert: Europa wird von Moskau nicht ernst genommen. Mangott: „Die Europapolitik Russlands war immer darauf ausgerichtet, bilaterale Beziehungen zu verbessern, aber nicht darauf, mit Brüsseler Institutionen zusammenzuarbeiten. Russland sieht die EU als Vasall der USA.“ Und Meister ortet vor allem ein Problem darin, dass in der EU jeder etwas Anderes tue, jeder seine eigene Linie verfolge: Aus der russischen Perspektive sei das ein Zeichen von Schwäche.
„Russland hat bisher kein einziges Zugeständnis gemacht“, so Stefan Meister. Die russische Führung in dieser Situation zu umgarnen, werde eher dazu führen, „dass Moskau letztlich gar keine Zugeständnisse macht“. Weil Anreize fehlen.
Und daher sei es auch gefährlich, über Fälle wie Skripal, Khangoshvili, Hackerangriffe oder Einmischungen hinwegzusehen. Solche Fälle machten es nicht leichter, so Meister. „Gerade, wenn man versucht, eine Normalisierung herzustellen. Und zu sehen, dass sich die andere Seite darum einfach nicht schert.“ Es gehe darum, ernst genommen zu werden. Russlands Rolle als Wirtschaftspartner sieht Meister überbewertet.
Mangott wie Meister betrachten die Verhängung von Sanktionen gegenüber Russland als alternativlos. Und beide plädiert für Dialog. Meister grenzt das aber eng ein auf vor allem ein klares Ziel: Gespräche müssten den Fokus auf Sicherheit haben.
Mit Blick auf Österreich sagt er: Wien könne durchaus eine Vermittlerrolle haben. Wien sei zugleich aber kein „klarer Akteur“ – vor allem wegen starker wirtschaftlicher Verbindungen mit Russland. Einem Land, in dem Wirtschaftsaktivitäten „sehr viel graues Business“ generierten. Business, das letztlich exportiert werde. Und Österreich habe das Image, seine Beziehungen zu Russland vor allem für eines zu nutzen: Zum Eigennutz.
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