Wie Katar den Islam in Europa steuert
Scheich Yusuf al-Qaradawi hat eine Vision: „Die Eroberung von Rom, die Eroberung von Italien und Europa bedeutet, dass der Islam wieder nach Europa zurückkehrt. Es ist eine friedliche Eroberung, und diese friedliche Eroberung ist eines der Prinzipien dieser Religion. Ich sehe vorher, dass der Islam nach Europa zurückkehren wird, ohne zum Schwert greifen zu müssen. Das wird über Predigten und Ideen geschehen“, sagte er vor 13 Jahren im katarischen Fernsehen – nach wie vor ist diese Rede im Internet aufrufbar.
Der Mann, der über Jahre mit seiner Sendung „Die Scharia und das Leben“ ein Millionenpublikum auf Al Jazeera erreichte, war auch 2015 nicht müde, um Spenden für eine Moschee in Mailand zu kämpfen. Und Katar unterstützte ihn nach Kräften: Wie die französischen Journalisten Christian Chesnot und Georges Malbrunot in ihrem Buch „Qatar Papers“ (Seifert Verlag. 300 S. 22,95 Euro) berichten, hat die NGO „Qatar Charity“ mehr als 22 Millionen Euro in 45 italienische Projekte investiert.
Brisant: Die NGO, die sich als unabhängig definiert, wird maßgeblich vom Herrscherhaus des Golfemirats Katar unterstützt. Insgesamt half Qatar Charity, 140 islamische Zentren in ganz Europa zu errichten – von Katowice in Polen über Alta in Norwegen, bis nach Cork in Irland. 2014 zahlte die Organisation 72 Millionen Euro für ihre Projekte.
Verhältnis zum Terror
Die Autoren, die mit ihrer „Untersuchung den Islam nicht stigmatisieren wollen“, fanden bei ihren Recherchen heraus, dass es oft die Muslimbruderschaft ist, die von den Spenden profitiert. Eine einflussreiche, islamistische Bewegung, die vor allem von Katar und der Türkei unterstützt wird und zu Terrororganisationen wie El Kaida, dem IS oder den Taliban ein nahes Verhältnis pflegt. Malbrunot beschreibt die Muslimbrüder folgendermaßen: „Ihre Philosophie besteht darin, das Leben der Menschen, von der Geburt bis zum Tod, zu kontrollieren. Alle von Katar finanzierten Projekte versuchten genau das zu tun, indem sie Moscheen mit Schulen, Schwimmbädern, Restaurants und sogar Leichenhäusern umgeben.“
Fußballvereine, Luxushotels, TV-Sender. In der Öffentlichkeit präsentiert sich Katar als weltoffenes Land, als Sponsor des Sports. Reportagen und Dokumentationen im Sender Al Jazeera English befassen sich zumeist mit der Unterdrückung von Minderheiten und Menschenrechtsverletzungen. Überall sonst auf der Welt, versteht sich.
Die prekären Bedingungen für ausländische Gastarbeiter beim Bau der Mega-Stadien für die WM 2022 lässt der Sender lieber aus. Katar ist vor allem durch den Gasverkauf reich geworden, dank einem Investmentfonds von mehr als 300 Milliarden Euro kann das Emirat aus dem Vollen schöpfen. In Europa kauft Katar Luxushotels wie das Bürgenstock in der Schweiz, beteiligt sich an Flughäfen, Katar hält beispielsweise 20 Prozent am Flughafen Heathrow, oder ist ein Großinvestor bei Volkswagen.
Egal, wer beim Champions-League-Finale gewonnen hätte – Katar hätte Grund zum Jubeln gehabt, da es beide Finalisten (Bayern, Paris Saint Germain) großzügig sponsort, PSG gar vollständig besitzt.
Yusuf al-Qaradawi gilt als bedeutender Denker unter den Muslimbrüdern – und als einflussreicher Gelehrter in Katar. Nach seiner Flucht aus Ägypten in den 60er Jahren kam er in das Emirat, wo er die Ideologie der Muslimbrüder bald zu jener Katars machte. Qaradawi, der für außerehelichen Geschlechtsverkehr die Todesstrafe empfiehlt und Männern nahelegt, ihre Frauen „leicht“ zu schlagen, sollten sie ihnen mit Worten nicht mehr beikommen, ist auch in Europa nicht untätig – etwa durch die Schaffung des „Europäischen Rates für Fatwa und Forschung“.
Die Zahlungen sind derzeit noch legal – Frankreichs Regierung etwa plant ein neues Gesetz, das Geldflüsse aus dem Ausland unterbinden soll. Allerdings verfügt Qatar Charity laut den Autoren bereits jetzt über ein ausgeklügeltes System, die Geldflüsse zu verschleiern.
Lob finden die Autoren für das österreichische Islamgesetz: Es sehe vor, dass den Muslimen in Österreich mehr Anerkennung im gesellschaftlichen Leben zukomme, andererseits verbiete es ausländischen Einfluss auf die Verwaltung österreichischer Moscheen. Jedoch steige der türkische Einfluss auf den Islam im Land – und Ankara ist eng mit Doha verbunden. Katar hat in den vergangenen Jahren 20 Milliarden Dollar in die Türkei investiert, im Gegenzug unterstützt Recep Tayyip Erdoğan das Emirat im diplomatischen Kampf gegen Saudi-Arabien und seine Verbündeten.
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