Wie Heinz Fischer den Rücktritt seines Freundes Morales beurteilt

Der damalige Bundespräsident Heinz Fischer mit Evo Morales
„Er war ein sympathischer Mensch. Fantasie-, temperamentvoll und energiegeladen. Einfach eine bunte Figur.“ Das sagt Heinz Fischer nach dem Rücktritt des bolivianischen Staatschefs Evo Morales, zu dem der österreichische Altbundespräsident eine spezielle Beziehung hatte.
Grundgelegt wurde diese im Juli 2013. Damals hatten mehrere EU-Staaten offenbar auf Druck der USA der Regierungsmaschine von Morales die Überfluggenehmigung verweigert.
Hintergrund waren Gerüchte, dass der flüchtige NSA-Whistleblower Edward Snowden an Bord sein könnte. „Morales hatte die Situation als äußerst dramatisch beschrieben und sogar von Absturzgefahr gesprochen“, erinnert sich Fischer im KURIER-Gespräch. Daraufhin habe die österreichische Flugsicherung die Landeerlaubnis erteilt.
„Das war in der Nacht, und ich habe ihn dann in der Früh in Schwechat besucht, um zu sehen, wie es einem Amtskollegen in einer solchen Situation geht. Er war fix der Ansicht, ich hätte ihm die Möglichkeit zur Landung in Wien eröffnet, und war auch nicht vom Gegenteil zu überzeugen.“
Die Folge: Bei einem Staatsbesuch in „Evo-Land“ wurde Fischer 2015 ein großer Empfang bereitet, Morales bedankte sich für den „besonderen Freundschaftsdienst“.
Ob der Rücktritt des bolivianischen Präsidenten unvermeidlich gewesen sei, will Fischer nicht beurteilen: „Es wurden bei der Wahl (20. Oktober) Unregelmäßigkeiten behauptet. Es gab auch unterschiedliche Beurteilungen, ob eine neuerliche Kandidatur (nach zwei Perioden) der Verfassung nicht widerspreche, obwohl sich Morales da auf ein – allerdings umstrittenes – Gerichtsurteil stützen konnte. Wir hierzulande haben klare Regeln, die befolgt werden.“
Klar sei, dass es in Bolivien keine „Demokratie wie in Österreich oder der Schweiz“ gebe, betont der Altpräsident. Man müsse freilich die Situation des Andenstaates im gesamt-lateinamerikanischen Kontext betrachten: „Und wenn ich da Morales mit dem brasilianischen Staatsoberhaupt Jair Bolsonaro vergleiche, schneidet Morales gar nicht schlecht ab, sondern besser.“

Evo Morales, erster indigener Präsident Boliviens, setzte sich für diese Volksgruppe ganz besonders ein
Auf der Habenseite des nun zurückgetretenen Bolivianers verbucht Fischer vor allem drei Punkte: „Er hat sich sehr bemüht, die Situation der Bauern zu verbessern, zumal der Kokabauern. In diesem Zusammenhang hat er sich gegen pauschale Verbote ausgesprochen.
Zum anderen gab es deutliche Fortschritte im Bildungsbereich und bei der Armutsbekämpfung. Und er hat als erster indigener Präsident des Landes die Lebensbedingungen dieser Volksgruppe angehoben.“
"Niemand ist unersetzbar"
Auf die Frage, ob Morales dem Andenstaat und dem Kontinent als politischer Kopf fehlen werde, meinte Fischer: „Niemand ist unersetzbar. Umgekehrt weiß man nie, ob etwas Besseres nachkommt.“
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