Wie geht es jetzt weiter? Vier Szenarien nach Jamaika-Aus

Nach dem Ende der Sondierungsverhandlungen ist Angela Merkel unter Zugzwang. Viele Optionen bleiben der deutschen Bundeskanzlerin nicht.

Eine Stunde lang berieten CDU, CSU und Grüne in der Nacht auf Montag noch, nachdem die FDP endgültig vom Verhandlungstisch aufgestanden war und das Ende der Sondierungsgespräche zu einer sogenannten „Jamaika-Koalition“ verkündet hatte. Ergebnis: Schuld ist die FDP selbst, eine Einigung wäre schließlich zum Greifen nahe gewesen.

Ansonsten ist man sich in Berlin noch ziemlich uneins, wie es nun weitergehen soll. Denkbar sind vier Szenarien.

  • Große Koalition

Rechnerisch ist eine neuerliche Koalition zwischen CDU und SPD möglich. Nachdem die SPD diese Option jedoch bereits am Wahlabend des 24. Septembers ausgeschlossen und diesen Entschluss zuletzt immer wieder bekräftigt hatte, gilt diese Option aktuell jedoch als äußerst unwahrscheinlich. Auch durch die Absage der FDP an eine Koalition mit CDU, CSU und Grünen "verändert sich die Lage für die SPD nicht", erklärte SPD-Vize Ralf Stegner am Montag auf Twitter. Merkels kleiner Funken Hoffnung könnte in Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier liegen. Der ehemalige SPD-Vorsitzende erinnerte die Parteien am Montag "an die Verantwortung, eine Regierung zustande zu bringen".

Jedoch auch in einer Beschlussvorlage für die Sitzung des Parteivorstands am Montag heißt es: "Wir stehen angesichts des Wahlergebnisses vom 24. September für den Eintritt in eine Große Koalition nicht zur Verfügung." Und: "Wir scheuen Neuwahlen unverändert nicht."

Laut einer jüngsten Umfrage für Bild am Sonntag wären 49 Prozent der Deutschen im Falle eines Scheiterns für die Rückkehr zur großen Koalition.

  • Minderheitsregierung

Denkmöglich, aber unbeliebt wäre auch eine Minderheitsregierung aus CDU/CSU und FDP. Dieser würden nur 29 von 709 Sitzen im Bundestag auf eine Mehrheit fehlen. Würden die Grünen eine CDU-Regierung stützen, würden 42 Sitze fehlen. Die Konstellation gilt als äußerst unstabil, in der Bundesrepublik gibt es keine Erfahrungen mit dieser Variante – und ist wohl schon deshalb nicht gerade ein Liebkind Angela Merkels. Große Projekte wären so jedenfalls nur unter großen Konzessionen an wechselnde Partner durchzubringen. Spätestens wenn Mitte 2018 der neue Bundeshaushalt verabschiedet werden muss, liefe Deutschland möglicherweise auf eine politische Krise zu.

Die FDP, die sich jetzt mitunter scharfer Kritik ausgesetzt sieht, zeigte sich am Montag bereit, eine etwaige Minderheitsregierung zu unterstützen. "Wenn es gute Initiativen gibt, dann stehen wir zur Verfügung", sagte FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann. "Wir wollen keine Fundamentalopposition betreiben, sondern wir wollen uns konstruktiv einbringen."

  • Neuwahlen

Der letzte Wahltrend von Bild am Sonntag sah ein kaum verändertes Stimmungsbild unter Deutschlands Wählern. CDU und Grüne stiegen leicht, um einen Prozentpunkt. SPD, FDP und Linke verloren leicht, nur die AfD blieb stabil. Die Gefahr, dass nach Neuwahlen also die alte Pattstellung hergestellt ist, ist also groß.

Dennoch gelten Neuwahlen aktuell als das wahrscheinlichste Szenario.

Das Verfahren dorthin ist in Deutschland jedoch erstaunlich kompliziert. Zunächst nämlich muss der Kanzler oder die Kanzlerin gewählt werden. Es obliegt in diesem Fall dem Bundespräsidenten für dieses Amt einen Kandidaten vorzuschlagen. Diese Person wird dann Regierungschef, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder des Bundestages für sie stimmt ("Kanzlermehrheit"). Bisher wurden alle Kanzler der Bundesrepublik in diesem ersten Wahlgang gewählt. Findet der Vorschlag des Bundespräsidenten keine Mehrheit, beginnt die zweite Wahlphase.

Der Bundestag hat dann zwei Wochen Zeit, sich mit absoluter Mehrheit auf einen Kanzler zu einigen. Die Zahl der Wahlgänge ist nicht begrenzt, ebenso wenig die Zahl der Kandidaten. Dem Bundestag steht es also frei, die zwei Wochen ungenutzt verstreichen lassen - oder etwa 15-mal zu versuchen, einen Kandidaten zu wählen.

Kommt auch in diesen zwei Wochen keine Kanzlermehrheit zustande, beginnt die dritte Wahlphase. In diesem letzten Wahlgang reicht schon die relative Mehrheit. Gewählt ist also, wer von allen Kandidaten die meisten Stimmen gewinnt. In diesem Fall kann der Bundespräsident die Person zum Kanzler einer Minderheitsregierung ernennen - er kann aber auch den Bundestag auflösen. Innerhalb von 60 Tagen muss dann neu gewählt werden.

  • Merkel geht

Geht Merkel, ändert sich zwar grundsätzlich nichts an den oben genannten Szenarien. Die Wahrscheinlichkeiten würden sich aber wohl verschieben, hängt etwa das Nein der SPD zu einer Neuauflage der Großen Koalition ganz stark auch an der Person Merkels. Wie wahrscheinlich diese Variante ist, lesen Sie hier.

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