Klein müssen sie sein, erklärt Plantagenchef João Rosado dem deutschen Spiegel. Nicht die Beeren, sondern die Mitarbeiter.
Die meisten der knapp 300 Beschäftigten seiner Farm sind nicht größer als 1,70 Meter: "Sonst bekommen sie zu schnell Rückenschmerzen." Auf seiner 92 Hektar oder knapp 130 Fußballfelder großen Beerenfarm arbeiten daher hauptsächlich Männer aus Asien, vorwiegend aus Nepal und Indien.
Spätestens seit Beeren vor einigen Jahren als neues "Superfood" ausgerufen wurden, ist die Nachfrage nach dem Obst in die Höhe geschnellt. 3,5 Kilogramm Beeren verspeist der durchschnittliche Österreicher mittlerweile im Jahr. 2009 waren es noch 2,6 Kilogramm.
"Berry rich" (beerenreich, Anm.) nannte Satiriker und Entertainer Jan Böhmermann in seinem Podcast kürzlich diesen Wohlstand der westlichen Gesellschaft: "Immer ein Plastikschälchen Beeren im Kühlschrank parat – selbst dann, wenn die heimische Ernte saisonbedingt auf Eis liegt." Dann müssen eben Beeren aus dem Süden herhalten. Inklusive Ausbeutung von Mensch und Natur.
Exportschlager
Himbeeren sind in Portugal dem Wert nach mit 185 Millionen Euro mittlerweile Exportprodukt Nummer eins – vor Sardinen und Pastel de Nata. 26.000 Tonnen werden jährlich ins Ausland verkauft, das sind 90 Prozent der Ernte. Die EU unterstützt den Agrarsektor mit Subventionen. Die Firmen kommen aus den USA oder den Niederlanden, die Käufer sitzen in Mitteleuropa. Die Erntehelfer kommen aus Asien.
Schätzungen zufolge sind zwischen 10.000 und 15.000 Arbeitsmigranten auf Portugals Beerenfarmen beschäftigt.
Der Traum vom "Himbeervisum"
Im kleinen Dorf São Teotónio in der Region Alentejo, wo Rosados Beerenfelder liegen, sollen zwei Drittel der 6.500 Einwohner Arbeitsmigranten sein. Portugal hat eines der liberalsten Einwanderungssysteme Europas: Wer mehr als sechs Monate arbeitet, erhält eine Aufenthaltserlaubnis. "Himbeervisum" wird die Hoffnung auf ein besseres Leben dort genannt.
Der Preis dafür ist hoch: 3,50 Euro verdienen die Arbeiter in der Stunde, geschlafen wird in Mehrbettzimmern. Auch von der Natur fordert der Sektor Opfer.
So blau wie Portugals berühmte Azulejos schimmert das Wasser des Stausees Santa Clara – noch. Denn es wird von Minute zu Minute weniger. Über 1.000 Liter Wasser pro Sekunde würden aus dem Stausee gepumpt, berichtet ein regionales Online-Magazin. Ein von Agrarkonzernen kontrollierter Zweckverband verfügt über die Verwendung des Wassers und lässt 90 Prozent in die intensive Landwirtschaft fließen.
Die Folge: Die Region vertrocknet, private Gärten können nicht mehr bewässert werden, warnt die Anwohnerinitiative "Juntos pelo Sudoeste". Umweltorganisationen haben mittlerweile Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. Erst im Frühling war die Region von starken Waldbränden betroffen.
Die Beeren-Liebhaber in Mitteleuropa scheint das wenig zu kümmern. Das weiß auch João Rosado. Und träumt von der nächsten Plantage: Denn nach Himbeeren sind jetzt Heidelbeeren groß im Kommen.
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