Das Vorhaben ist eine Schlüsselinitiative im Systemwettbewerb Europas mit dem Reich der Mitte. Gestern wurde sie in Brüssel von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen unter dem Namen „Global Gateway“ präsentiert. Dabei fiel auf: Der Name China war nicht zu hören, auch in den Unterlagen zum ersten geopolitischen Großprojekt der EU ist er nicht zu finden.
Doch von der Leyen umschrieb es unmissverständlich: „Hier handelt es sich um einen neuen, strategischen Zugang zu Investitionen: demokratie- und wertegetrieben.“ Sie pocht auf faire Wettbewerbsbedingungen, Staaten sollen nicht in die Schuldenfalle getrieben werden.
Einige Projekte werden bereits avisiert: 30 Milliarden Euro etwa könnten in die südlichen Nachbarländer der EU für den Ausbau von grünen Energiekapazitäten fließen. In Jordanien könnte die König-Hussein-Brücke (von Jordanien in die Westbank) von europäischen Unternehmen erneuert werden.
Und für den Balkan stehen 30 Milliarden Euro für den Ausbau der maroden Bahn- und Straßenverbindungen bereit. Zeit tut hier not: Denn auf dem Balkan hat China bereits mit dem Bau einer Zugverbindung von Serbien nach Ungarn begonnen.
Der EU schwebt hier aber Größeres vor: Alle Hauptstädte der Balkanländer sollen künftig untereinander und somit auch mit der EU per Bahn verbunden sein. Die Idee dahinter: Wer baut und mitfinanziert, hat auch politischen Einfluss in der Region.
„Der Global Gateway mit seinen 300 Milliarden ist ein herzeigbares Programm“, meint Markus Beyrer. Der Chef des Europäischen Industrieverbandes Business Europe lobt vor allem den „Zugang als ein europäisches Team. Wenn wir unsere Ziele gemeinsam formulieren, wäre das ein Schlüsselbeispiel, um global im Wettbewerb mit China und mit den USA zu bestehen.“
Im konkreten Fall müssten zunächst, so Beyrer gegenüber dem KURIER, gemeinsam entwickelte Projekte definiert werden. Etwa: die Verlegung von Glasfaserkabeln unter dem Schwarzen Meer.
Dann müssen die Anrainerstaaten ihr Interesse bekunden. „Daraufhin steckt die EU den Rahmen ab, welche Förderungen zur Verfügung stehen und welche europäischen Firmen sich an der Ausschreibung beteiligen“, sagt Beyrer.
Neu ist auch: Die europäische Entwicklungspolitik könnte eine andere Richtung nehmen. Bisher hat sich die EU auf klassische Entwicklungszusammenarbeit konzentriert, die strategische Bedeutung von Infrastrukturprojekten spielte keine Rolle. Obwohl die EU weltweit der größte Geber von Entwicklungshilfe ist, zog sie bisher kaum politischen Nutzen daraus. „Im Gegensatz zu den USA und China nutzen wir diese Gelder zu wenig strategisch“, sagt Beyrer. „Hier könnte es zu einem Paradigmenwechsel kommen.“ Denn geplant ist, dass fast die Hälfte der Investitionssumme, also 135 Milliarden Euro, für den Global Gateway aus dem EU-Fonds für Entwicklungspolitik- und -hilfe kommt.
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