Wie China und die USA um eine der kleinsten Nationen der Welt ringen
Eigentlich war Tuvalu schon immer eine Randnotiz. Selbst, wenn die 22 pazifischen Inselstaaten einmal einen ihrer seltenen Momente im globalen Rampenlicht erhaschen, sticht die winzige Republik nicht heraus. Mit gerade einmal 11.000 Einwohnern (minimal mehr als Zell am See) ist Tuvalu der drittkleinste Staat der Erde und liegt nur hinter dem benachbarten Niue (2.000) und dem Vatikan (514) zurück. Und doch richteten am Freitag gleich mehrere Großmächte ihren Blick auf das Atoll.
Denn die rund 6.000 Wahlberechtigten auf den neun Inseln Tuvalus wählten am Freitag ihr neues Parlament. Das setzt sich aus nur 16 Abgeordneten zusammen, die nach der Wahl aus ihren Reihen einen neuen Premierminister bestimmen, der anschließend eine neue Regierung bestellt.
Die frisch gewählten Abgeordneten müssen dazu mit Booten in die Hauptstadt Funafuti reisen – für manche durchaus eine beschwerliche Reise: Von den am weitesten entfernten Inseln dauert die Überfahrt bis zu 27 Stunden.
Spielball der Großmächte
Die Wahl fällt in eine Zeit, in der Tuvalu ohnehin mit politisch deutlich schwergewichtigeren Akteuren zu tun hat. China und die USA tragen ihren Konflikt um Einfluss im Pazifik zunehmend auf diplomatischer Ebene aus; beide Großmächte wollen Inseln mit strategisch wertvoller Lage auf ihre Seite ziehen.
Noch ist Tuvalu durchaus prowestlich ausgerichtet, ist etwa eine der zwölf verbliebenen Nationen, die Taiwan als Staat anerkennen. Ein Angebot aus Washington, die Inseln über ein Unterseekabel erstmals mit dem weltweiten Telekommunikationsnetz zu verbinden, liegt zudem auf dem Tisch.
Doch offenbar trifft neuerdings auch aus Peking eine Reihe von Angeboten ein, die einige Entscheidungsträger auf Tuvalu ins Grübeln bringt. So sagt es zumindest die Regierung – ohne bisher Details genannt zu haben.
Womit wir wieder bei der Wahl wären: Wohin sich die Inselgruppe künftig ausrichtet, dürfte davon abhängen, wer die neue Regierung stellt.
Die politische Landschaft auf Tuvalu ist überschaubar
Die Auswahl an möglichen Premiers ist, wie mit Blick auf die Einwohnerzahl erwartbar, überschaubar. Der aktuelle Regierungschef Kausea Natano tritt erneut an, er will Tuvalu weiter in politischer Nähe zu den Verbündeten USA, Australien und Taiwan halten. Sein bisheriger Finanzminister Seve Paeniu stellt ebenfalls Ansprüche, er möchte die Frage aufrollen, ob man nicht die Beziehungen zu Taiwan abbrechen und jene zu China aufnehmen sollte.
Den größten Raum in der politischen Debatte nimmt aber ein besonderes Problem Tuvalus ein: Die Inseln sind enorm von der Klimakrise betroffen. Aufgrund des steigenden Meeresspiegels dürften sie schon innerhalb des nächsten Jahrhunderts vollständig untergegangen sein.
➤ Mehr dazu: Australien nimmt erstmals Klimaflüchtlinge auf
Die scheidende Regierung hat deshalb einen Vertrag mit Australien ausgehandelt, wonach die Einwohner von Tuvalu dort visafrei einreisen können. Doch die Gegenleistung hat es in sich: Australiens Regierung verlangt, künftig bei jedem außen- und sicherheitspolitischen Abkommen, das Tuvalu mit einem anderen Staat knüpft, ihr Veto einlegen zu dürfen. Auch dieser Vertrag liegt unterschriftsfrei in Funafuti auf. Ob er angenommen wird, dürfte davon abhängen, ob noch ein besseres Angebot aus China eintrudelt.
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