„Wer kritisch schreibt, erhält eben keine Inserate“

„Wer kritisch schreibt, erhält eben keine Inserate“
Keiner komme für seine Kritik ins Gefängnis, sagt Journalist András Stumpf. Aber Message-Control ist Standard

Der bekannte ungarische Journalist András Stumpf war führender Redakteur bei der konservativen Wochenzeitung Heti Válasz, die im Juni eingestellt wurde. Mit fünf Kollegen gründete er daraufhin das kritische Portal valaszonline.hu, das jeden Monat ums wirtschaftliche Überleben kämpft. Mit dem KURIER sprach er über die Pressefreiheit in Ungarn.

Fast 500 Medien wurden in einer Stiftung zusammengefasst. Wie geht es den Medien, die bei dem Spiel nicht mitspielen?

Unsere Zukunft ist unsicher. Wir müssen die Leser bitten, uns zu unterstützen. Nur wenige Unternehmen inserieren bei uns – vielleicht wollen die anderen ihre Beziehung mit dem Staat nicht aufs Spiel setzen. Eine Bezahlschranke ist bei ungarischen Onlinemedien derzeit nicht möglich. Jahrzehntelang waren die Menschen gewohnt, Qualitätsmedien im Netz gratis zu lesen.

Es gibt sie also, die kritischen Medien. Warum hat man das Gefühl, dass die pro-Fidesz-Berichterstattung dominiert?

Das liegt an der Reichweite. Unsere Leser sind hauptsächlich in den Städten. Überall sonst sind TV oder die Regionalzeitungen dominant. Die Stiftungsmedien erreichen rund 70 Prozent der Ungarn.

„Wer kritisch schreibt, erhält eben keine Inserate“

A. Stumpf traf den KURIER in Budapest

Wie könnte man die Medien in der Stiftung charakterisieren?

Orbáns Kabinettsminister Antal Rogán, de facto Propagandaminister, entscheidet, was in den öffentlich-rechtlichen Medien und Regionalblättern geschrieben wird und was nicht. Aber auch, wie staatliche Behörden wie Post und Bahn nach außen kommunizieren sollen. Das ist die totale Message-Kontrolle! Oft gehen eMails an die Medien in der Stiftung, wie oder worüber (nicht) berichtet werden soll. Manchmal braucht es aber auch gar keine Richtlinien. Wer dort arbeitet, weiß ohnehin, worüber man berichten soll und worüber nicht. Da gibt es eine ganze Generation von Jungen, die in Fidesz-Zeiten aufgewachsen sind. Sie denken, dass sie Journalisten sind, schreiben aber nur, was der Regierung nutzt. Propaganda ist ja auch legitim. Aber bitte von Parteigeldern, nicht von Steuergeld!

Sie sind bekannt als kritischer Journalist. Haben Sie Angst vor Repressionen?

Es gibt die Pressefreiheit in Ungarn. Das stimmt schon. Jeder kann schreiben, was er will. Niemand kommt für seine kritische Meinung ins Gefängnis. Doch die Fidesz-Leute sind in den Behörden, die für wirtschaftliche Entscheidungen verantwortlich sind. Wer kritisch schreibt, erhält eben keine Inserate. Während die Stiftungsmedien quasi von Steuergeld finanziert werden, wissen die  anderen nicht, ob es sie in einem halben Jahr noch gibt.

 

Sie waren selbst früher Fidesz-nahe. Wieso haben Sie Ihre Meinung geändert?

Das ist eine schlimme Auffassung! Nicht ich habe meine Meinung, die Partei hat sich geändert. Fidesz war einmal westlich orientiert, antirussisch, konservativ, für den Pluralismus, hat die liberale Demokratie nicht in Frage gestellt. Vor zehn Jahren konnte niemand wissen, wohin das führen wird.

Woher kam die Richtungsänderung?

Wahrscheinlich Machterhalt. Aber ich sehe nicht in Orbáns Gehirn hinein. Wenn er sagt: „Ich bin die Sicherheit, ohne mich herrscht Chaos“, dann weiß ich nicht, ob er wirklich so denkt, oder ob er diese Sätze lediglich  benutzt, um an der Macht zu bleiben.

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