Neuer Bericht: Weltklimarat warnt vor Eskalation der Klimakrise

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Die Treibhausgasemissionen würden weiter steigen, die aktuellen Pläne seien unzureichend, um den Klimawandel zu bekämpfen, warnt der IPCC. Doch er zeigt auch Optionen auf, um die Klimakatastrophe noch zu verhindern.

Die Risiken und negativen Auswirkungen durch den menschengemachten Klimawandel sind bereits eingetreten, und sie werden mit jedem weiteren Schritt der globalen Erwärmung weiter eskalieren. So die drastische Prognose von Dutzenden Forschenden des Weltklimarats (IPCC).

Einige künftige Veränderungen seien unvermeidbar oder gar unumkehrbar, aber mit einer schnellen und nachhaltigen globalen Treibhausgasreduzierung könnten sie begrenzt werden, hieß es im neuesten Bericht.

Nach sechs Teil-Berichten seit 2018 hat der Weltklimarat am Montag den "Synthesebericht" veröffentlicht. "Er unterstreicht die Dringlichkeit ehrgeizigerer Maßnahmen", sagte IPCC-Vorsitzender Hoesung Lee. Fünf Jahre nach der ersten Publikation sei die Herausforderung noch größer. Die Treibhausgasemissionen (THG) würden weiter steigen, doch die aktuellen Pläne seien unzureichend, um den Klimawandel zu bekämpfen, warnte der IPCC.

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In Zukunft könnte die Klimakrise eskalieren

Die Emissionen sollten bereits jetzt zurückgehen und müssen bis 2030 um fast die Hälfte gesenkt werden, wenn die Erwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzt werden soll. Darauf hatte sich die Staatengemeinschaft in den Pariser Klimazielen geeinigt. "Klimagerechtigkeit ist von entscheidender Bedeutung, weil diejenigen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, unverhältnismäßig stark davon betroffen sind", wurde Aditi Mukherji, eine von 93 Autorinnen und Autoren des Syntheseberichts, zitiert.

Inhalt der bisherigen Sachstandsberichte waren die zunehmenden Bedrohungen durch den Klimawandel, verursacht durch die vom Menschen in die Atmosphäre emittierten Treibhausgase. Auch beim Synthesebericht war der kritischste Teil der Arbeit jener an der Zusammenfassung. Der Text richtet sich an alle politischen Entscheidungsträger. Dieser abschließende Bericht muss im Konsens von Wissenschaft und Regierungsvertretern verabschiedet werden, vor einer Woche trafen sich die Beteiligten dazu im sonnigen Schweizer Traditionsurlaubsort Interlaken.

Fortgesetzte Emissionen würden dazu führen, dass alle wichtigen Komponenten des Klimasystems weiter beeinträchtigt werden. Mit jedem weiteren Schritt der globalen Erwärmung werden die Veränderungen bei den Extremen weiter zunehmen, heißt es in der "Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger". Es wird projiziert, dass eine fortgesetzte globale Erwärmung auf den globalen Wasserkreislauf wirken werde, einschließlich seiner Variabilität. Das bedeutet, dass sich die globalen Monsun-Niederschläge sowie sehr feuchte und sehr trockene Wetter- und Klimaereignisse und Jahreszeiten weiter intensivieren würden. All die genannten Aussagen wurden jeweils mit "hohem Vertrauen" von den Wissenschaftern quantifiziert.

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Ernährungssicherheit

Der Klimawandel habe bereits die Ernährungssicherheit verringert, die Wasserversorgung beeinträchtigt und behindere die Bemühungen, die UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) zu erreichen, heißt es in dem Bericht. Die bereits weit verbreiteten negativen Auswirkungen und die damit verbundenen Verluste und Schäden (Loss and Damage), die für Natur und Menschen verursacht wurden, hätten sich zudem ungleich über Systeme, Regionen und Sektoren verteilt. Wirtschaftliche Schäden durch den Klimawandel wurden in Sektoren wie Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Energie und Tourismus festgestellt. In städtischen Gebieten wurden nachteilige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, den Lebensunterhalt und wichtige Infrastrukturen festgestellt.

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Der Weltklimarat wies zudem darauf hin, dass die Erwärmung auch im Falle eines Überschreitens eines bestimmten Niveaus, wie etwa des 1,5-Grad-Ziels, trotzdem schrittweise wieder reduziert werden könnte.

Nötig wäre dazu aber ein negativer globaler Netto-CO2-Ausstoß, der nicht nur erreicht, sondern auch aufrechterhalten werden müsste. Kritik wurde an den derzeitigen globalen Finanzströmen für die Anpassungsmaßnahmen geäußert, diese seien unzureichend und behindern die Umsetzung der Möglichkeiten, und zwar insbesondere in Entwicklungsländern.

Die historischen kumulierten Netto-CO2-Emissionen von 1850 bis 2019 betrugen 2.400 Gigatonnen CO2 (Schwankungsbreite plus/minus 240 GtCO2). Mehr als die Hälfte davon (58 Prozent) kam in den 140 Jahren bis 1989 zustande. Für die restlichen 42 Prozent brauchte es nur noch die 30 Jahre bis 2019. Im Jahr 2019 waren die atmosphärischen CO2-Konzentrationen so hoch wie seit mindestens zwei Millionen Jahren nicht mehr und die Konzentrationen von Methan wie seit mindestens 800.000 Jahren nicht mehr.

Die durchschnittliche Anstiegsrate des Meeresspiegels betrug zwischen 1901 und 1971 noch 1,3 Millimeter pro Jahr, stieg auf 1,9 (Schwankungsbreite 0,8 bis 2,9) zwischen 1971 und 2006 und weiter ansteigend auf 3,7 (3,2 bis 4,2 mm) pro Jahr zwischen 2006 und 2018.

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Experte: Bericht zeige "viele Maßnahmen auf"

Man sollte die Rolle des Weltklimarates (IPCC) im Zusammenhang mit den Bemühungen zur Treibhausgas-Reduktion "nicht unterschätzen", erklärte der Klimaforscher Keywan Riahi im APA-Gespräch anlässlich der heutigen Vorstellung des "Syntheseberichts" des IPCC. Das Papier zeige auch auf positive Weise viele Maßnahmen auf, die aber endlich "rasch umgesetzt" werden müssten. Auf wissenschaftlicher Seite sei man klar, wie noch nie, die Politik müsse nachziehen.

Seit der Einigung auf dem Pariser Klimagipfel im Jahr 2015 habe es die Weltgemeinschaft immerhin geschafft, Milliarden Tonnen drohender zusätzlicher CO2-Emissionen zu vermeiden. Das sei durchaus positiv, auch wenn die Anstrengungen bei weitem nicht ausreichen, um die Erderhitzung auf das angestrebte Maß zu begrenzen.

Aber: In einigen Regionen der Erde, zum Beispiel auf der Ebene der EU-Kommission hätten Fragen zu Klimaentwicklung bereits einen sehr hohen Stellenwert. Die Kommission nehme hier eine "eindeutige Vorreiter-Rolle" ein, so Riahi.

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Für Österreich gelte umso mehr: "Wir müssen die Klimafrage institutionalisieren." Das heißt, dass es eine Art Beirat braucht, der politische Maßnahmen dahin gehend beurteilt, welche zu erwartenden Auswirkungen sie auf die klimatischen Entwicklungen haben, betonte der Wissenschafter vom Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg (NÖ), der in seinem Bereich zu den weltweit einflussreichsten Forschern zählt, und in der IPCC-"Arbeitsgruppe III" das zentrale Kapitel zu "Vermeidungspfaden" geleitet hat.

Einbindung der Wissenschaft gefordert

Es brauche jedenfalls eine "effektive Einbindung" von Wissenschaftern in den gesellschaftlich so zentralen Prozess der Umstellung des Energiesystems mit allen seinen Auswirkungen, ohne dass Forscher politische Entscheidungen vorwegnehmen. Der Politik würde es gut tun, "sich multiple Auswirkungen der unterschiedlichen Lösungen rational anzuschauen", und weniger ideologiegetrieben zu agieren. Leider laufe die Diskussion hierzulande vielfach "abgehoben" von der klaren Faktenlage ab, so der Experte, der mit zahlreichen Kollegen bis zum Jahr 2025 einen zweiten "Sachstandsbericht" zum Klimawandel für Österreich vorlegen will.

Die letzten Verhandlungen um den weltweiten IPCC-"Synthesebericht" haben am Wochenende deutlich länger gedauert, als von vielen erwartet. "Es ist immer schwierig zu entscheiden, welche Aspekte am Schluss prioritär behandelt werden", so Riahi. Jetzt sei der Report aber "sehr eindeutig" und biete auch ein "positives Narrativ".

Neben den weiter steigenden Risiken zeigt der Bericht auch auf, "dass wir eine nachhaltigere, bessere Zukunft sicher stellen können, wenn wir rasch handeln". Es werden Maßnahmen aufgezeigt, die dorthin führen können, wobei aber auch klar gesagt wird, dass bisherige internationale und nationale Bestrebungen nicht annähernd ausreichen, betonte Riahi.

So wurden der Photovoltaik- oder Windkraft-Ausbau und Batterien zum Energiespeichern zuletzt deutlich kostengünstiger: "Wir hatten hier einen enormen Innovationsschub." Das mache Alternativen wirtschaftlich konkurrenzfähiger.

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Der Bericht hebe u.a. auch die Rolle der weltweit wachsenden Städte bei Energiesparen im Zusammenhang mit Transport, der Industrieproduktion oder bei den Gebäuden hervor. "Ob wir die realisieren können, wird davon abhängen, ob wir tatsächlich in die Alternativen investieren", so Riahi. Sind dann die nötigen Infrastrukturen vorhanden, können politische Maßnahmen gesetzt werden, damit die neuen Angebote preislich besser dastehen.

Ein Punkt komme in dem Papier stark heraus: Die Klimawandel-Vermeidung und -Anpassung gelingt jenen Ländern besser, die klare, bindende und verlässliche Regelungen in Kraft haben. Ein "Hin und Her" was Förderungen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen betrifft, sei eindeutig nicht zielführend, so der Wissenschafter, der am Freitag auch auf einem Symposium zum "Synthesebericht" an der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) sprechen wird.

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