Wassermangel in Europa: Die trockene Wahrheit

Mehrere Abschnitte des Po sind komplett ausgetrocknet
Der Wassermangel hält sich in Österreich derzeit in Grenzen. Regionale Trockenheit kann mit Nachbarschaftshilfe abgemildert werden. Noch.
In Europa präsentiert sich die Situation grundlegend anders. Dramatisch ist die Lage im Norden Italiens. Das Land leidet unter der schlimmsten Dürre seit 70 Jahren. Wegen der angespannten Wassersituation haben fünf Regionen den bis zum Jahresende dauernden Notstand erklärt. Mehr als hundert Städte sind aufgerufen, ihren Wasserverbrauch einzuschränken. 36 Millionen Euro sind zur Bekämpfung der Krise bereitgestellt.

Der Po führt extrem wenig Wasser
Der Südtiroler Klima- und Gletscherforscher Georg Kaser beschreibt den Teufelskreis. Deutlich abnehmender Regen und Schneefall in den Südalpen während der Wintermonate sei Resultat des Klimawandels. „Dazu kommt, dass der Winterschneefall kürzer dauert, die Schneedecke immer mehr nach oben wandert. Die dadurch konservierte Wassermenge nimmt ab.“ Und so verschärfe sich auch die Hitzewelle. Weil kein Kondenswasser mehr zum Kühlen vorhanden ist. „Das schaukelt sich auf.“
Der Wassernotstand in Italien hätte aber eine weitere Auswirkung. „Flüsse wie Etsch und Po haben jetzt in den Mündungsgebieten das Problem, dass Salzwasser aus dem Meer hineinfließt und droht, die Äcker zu versalzen und zu zerstören. Weshalb die Staubecken hoch oben in den Alpen geöffnet werden, als Hilfeleistung, um das Salzwasser abzuhalten. Somit wird aber das Wasser spätestens im Herbst zur Stromproduktion fehlen.“
Roland Psenner, Vorsitzender des Südtiroler Forschungsinstitut Euroac Research, das 600 Mitarbeiter zählt, beschäftigt sich vor allem mit alpinen Gewässern unter dem Einfluss des Klimawandels. 30 Kilometer sei die Salzfront der Adria schon hineingewandert. „Südtirol wurde gebeten, bei der Minderung des Wassermangels mitzuhelfen. Aber dort sind die Stauseen nicht voll.“

Versandung
Auch in Spanien ist es extrem trocken. So trocken, dass zwei Drittel der gesamten Fläche von Wüstenbildung bedroht sind. Fruchtbare Böden werden also immer häufiger zu Sand.

Der Pegel des Stausees in Aceredo ist so niedrig, dass ein einst versunkenes Dorf wieder zum Vorschein kam
Nachdem der Winter 2021/22 der zweittrockenste seit 1961 war, sahen sich Ortschaften im Norden des Landes bereits im Februar gezwungen, drastische Maßnahmen zu ergreifen. Etwa in manchen Städten nur wenige Stunden am Tag fließendes Wasser bereitzustellen. In der Kleinstadt Vacarisses bei Barcelona liegen die Brunnen- und Grundwasserleitungen längst trocken.
Das Nachbarland Portugal hat sich bereits im Winter auf ein extrem trockenes Jahr 2022 eingestellt. Wegen ausbleibender Regenfälle waren die Wasserstände in den Stauseen schon im Januar auf einem extremen Niedrigstand. Im Februar ordnete die Regierung an, die Nutzung der Wasserkraftwerke auf zwei Stunden pro Woche zu reduzieren. Damit soll noch mindestens zwei Jahre lang die Trinkwasserversorgung der zehn Millionen Einwohner sichergestellt werden.
In Österreich und den Nordalpen, erklärt Klimaforscher Kaser, dürfte die Regenmenge nur leicht abnehmen. Immer häufiger ist ein Phänomen zu beobachten: „Diese Regenmengen konzentrieren sich zunehmend auf Einzelereignisse, bei denen alles auf einmal herunter kommt. “

Trockenheit in Portugal: Schon im Winter ein Problem
Zukunftsvision
Dennoch, heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium, der aktuelle Wasserbedarf sei aus dem Grundwasser nachhaltig gedeckt. Durch die Auswirkungen des Klimawandels könnten auch die verfügbaren Ressourcen in Österreich bis zum Zeithorizont 2050 um bis zu einem Viertel abnehmen. Was von derzeit 5,1 Milliarden Kubikmetern eine erhebliche Reduktion auf 3,9 Milliarden bedeuten würde.
Unbestritten ist, die globale Gesamtsituation ist für viele Menschen Anlass zur Sorge. Roland Psenner meint dazu: „Da geht ja auch der Wissenschaft nicht anders. Zuverlässige Prognosen sind sehr schwierig. Ich sehe die Entwicklung jedenfalls sehr weit fortgeschritten.“
Israel: Frischwasser aus Atomkraft mit Umweltschäden
Es ist noch nicht lange her, da drohte Israel zu vertrocknen. Frischwasser war im Wüstenstaat seit seiner Gründung ein lebenswichtiges Thema, auch weil die Landwirtschaft sehr viel Wasser benötigt. Man setzte auf Wasseraufbereitungsanlagen: 1999 startete ein Langzeitprojekt, das heute Israel fast im Überfluss mit Frischwasser versorgt. Seit wurden fünf riesige Entsalzungsanlagen gebaut, die mit Atomstrom betrieben werden. Bis 2025 sollen es sogar sieben Entsalzungsanlagen werden. Die Kehrseite: Die Anlagen produzieren dabei gleich viel konzentrierte Salzlake wie Frischwasser. Die Salzlake hat einen deutlich höheren Salzgehalt als normales Meerwasser und macht es für Meeresorganismen in der unmittelbaren Nähe des Soleausstoßes schwierig, zu überleben.
Emirate: Forschung für die Zähmung der Wolken
Die Idee, Wolken mit Chemikalien zu „impfen“, um sie zu beherrschen, ist nicht neu. Sogar bei uns wird die Technologie bei den Hagelfliegern genutzt. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben seit 2010 ein eigenes Forschungsprojekt mit dem Ziel der „Wettermodifikation“. Das Land ist extrem trocken, mit jährlichen Niederschlägen von nur 100 Millimeter. Die Forschungsteams werden großzügig vom Staat gefördert, anfangs ging es vor allem darum, zu untersuchen, welche Wolken sich zum Abregnen eignen, seit einigen Jahren fliegen vor allem in den heißen Sommern Flugzeuge und seit kurzem auch Drohnen, die mit Chemie oder hohen Spannungen Regen auslösen können. Ein Effekt: Einige Städte erleiden nun immer wieder heftige Überflutungen.
Indien: Regen des Monsuns bis zur Dürrezeit halten
Alles begann erst vor wenigen Jahren im westlichen Bundesstaat Maharashtra. Indien erlebte immer wieder lange Dürreperioden, unter der die Bevölkerung litt. Bis die „Paani–Stiftung“ 2016 entschloss, die Gegend durch einen Wettbewerb „dürrefrei“ zu machen. „Die Krise ist vor allem von Menschen verursacht, durch falsches Wassermanagement und der fortschreitenden Zerstörung der Umwelt. Wenn Menschen das verursachen, können wir es auch lösen“, erklärte die Stiftung. Der Clou: Das Regenwasser der Monsunregen wird nicht, wie bisher, so schnell wie möglich weggeleitet, sondern durch Gräben und Zisternen und Dämme und Seen, die von der Bevölkerung gegraben wurden, im Land gehalten – mehr als 550 Milliarden Liter können seither gespeichert werden.
Noch im Jahr 1974 habe eine Studie (Sykuro Manabe, der für seine Arbeiten zum Klimawandel 2021 den Nobelpreis für Physik erhielt) festgestellt, dass bei einem künftig zweifachen CO2-Ausstoß die globale Temperatur um knapp drei Grad Celsius ansteigen werde. „Er konnte allerdings nicht davon ausgehen, dass das wärmere Klima auch stabil sei.“
Mittlerweile hat sich die Konzentration der Treibhausgase um 80 Prozent erhöht, was laut Modellen eine Erwärmung um 2,6 Grad ergibt. Ob es reicht, 30 Prozent der Meere und der Landfläche unter Naturschutz zu stellen, um CO2 zu binden?
„Es ist notwendig, alleine für den Erhalt der Biodiversität. Aber eines ist klar: Wir müssen aufhören, Dinge zu verbrennen“, fordert Psenner. Sonst sei mit einigen Überraschungen zu rechnen.
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