Weißrussland: Diktator Lukaschenko ist angezählt

Auf dem Weg zur abendlichen Großdemonstration gegen Diktator Lukaschenko: Demonstranten in Minsk
„Hau ab! Hau ab!“ schallten die unüberhörbaren Rufe Montag Mittag einem sichtlich verärgerten Alexander Lukaschenko entgegen. Dabei hätte die Rede des weißrussischen Machthabers in der staatlichen Herzeigefabrik MZKT beweisen sollen, dass der Autokrat in seinem Land noch immer Herr der Lage ist. Doch wie eine Lawine rollen nun die Entwicklungen, an deren Ende der Sturz von „Europas letztem Diktator“ stehen könnte:
Dutzende Fabriken in mehreren Städten des Landes schlossen sich gestern Streiks an und protestieren so gegen die manipulierten Präsidentenwahlen. Dass die bisher lukaschenko-treuen staatlichen Fabriken die Arbeit still legen, ist für das Regime besonders gefährlich. Sie gelten als die wirtschaftliche Stütze der Diktatur.

Bedrängter und sichtlich verärgerter Staatschef in einer Fabrik nahe Minsk: Weißrusslands Diktator Lukaschenko
Auch in den staatlich gelenkten Medien kommt es zu einer radikalen Wende: Mehrere hundert Journalisten haben aus Protest gekündigt. So bekamen weißrussische TV-Seher bisher Unerhörtes zu sehen: Zum Teil neutrale Berichterstattung, zum Teil lief nur Musik vor einem leeren Studio, weil die Moderatoren den Sender verlassen hatten.Bereits am Nachmittag versammelten sich wieder Tausende Menschen im Zentrum von Minsk. Jeden Abend wollen sie nun protestieren, in den größten Protestkundgebungen in der Geschichte des Landes, bis Lukaschenko abtritt.

Streikende Fabriksarbeiter
Der bereits in die Enge getriebene Machthaber zeigte erstmals ein Zugeständnis: Neuwahlen seien möglich sagte er, nachdem er am Vormittag genau das noch kategorisch zurückgewiesen hatte. Doch solch ein Urnengang wäre erst realisierbar, so Lukaschenko, nach einer Verfassungsänderung.
Solch ein Prozess bis zu einer neuen Verfassung aber würde sich wiederum wochen- oder monatelang lang hinziehen – kaum vorstellbar, dass die Lukaschenko-Gegner dieses Angebot der Schwäche noch hinnehmen werden. Für seine in die Millionen gewachsene Zahl seiner Gegner ist das zu wenig.
Das neue Gesicht an der Macht
Von Litauen aus sandte die ins Exil getriebene Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja per Video die Botschaft in ihre Heimat: „Ich bin bereit, in dieser Zeit Verantwortung zu übernehmen und als nationale Anführerin zu handeln.“
Die 37-jährige Herausforderin Lukaschenkos, die die Wahlen deutlich gewonnen haben dürfte, gibt damit einer Zeit nach dem Diktator klare Konturen vor: Sie bereitet ein Gremium vor, das die neue Führung übernehmen soll. Zudem forderte sie Sicherheitskräfte und Mitarbeiter der Justiz auf, die Seite zu wechseln: „Wenn Sie sich entscheiden, keine kriminellen Befehle mehr auszuführen und sich an die Seite der Menschen zu stellen, werden diese Ihnen vergeben.“
Einige davon haben bereits ihren Dienst quittiert. Doch die Mehrheit von Armee, Geheimdienst und Polizei dürfte noch hinter Lukaschenko stehen.
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