Peinlicher Start
Die erhoffte „enge Zusammenarbeit“ zwischen Großbritannien und dem Biden-Team begann mit einem peinlichen Hoppala: In der Twitter-Grafik, mit der Johnson dem frisch gewählten Präsidenten Biden gratulierte, waren im Hintergrund des Textes noch Teile einer alternativen Fassung für Johnsons Verbündeten Donald Trump erkennbar.
Spott und Hohn aufmerksamer Twitter-Nutzer waren die Folge. Ein britischer Regierungssprecher musste denn auch den Ausrutscher eingestehen. Es habe einen „technischen Fehler“ gegeben, hieß es am Dienstag aus der Downing Street. Zwei Versionen der Textgrafik seien vorbereitet gewesen - in der veröffentlichten Version seien noch Teile der Trump-Fassung unterlegt gewesen.
Experten erwarten ohnehin, dass Biden seinen Fokus stärker auf Deutschland, Frankreich und die EU legen wird. „Washington wird Großbritannien als wichtigen, aber nicht einzigartigen Teil Europas sehen“, meint Sophia Gaston vom Thinktank British Foreign Policy Group.
Die neueste Obsession in London ist daher die Spekulation, wann Biden denn Johnson anrufen werde. Laut Berichten erwartet sogar die Regierung in London, dass Telefone in Berlin und Paris zuerst läuten werden, vielleicht gefolgt von Dublin.
Irische Wurzeln
Dass Biden stolz auf seine irischen Wurzeln ist, könnte Johnson besondere Kopfschmerzen bescheren. Das britische Binnenmarkt-Gesetz, das gegen Brexit-Vertrag und Völkerrecht verstoßen würde und Konflikte in Nordirland schüren könnte, kritisierte Biden scharf. Und er warnte, ein Handelsabkommen, das Amerikaner und Briten verhandeln, könne es nur geben, wenn London geltende Verträge einhalte.
Auch ein No-Deal-Brexit birgt Risiko. “Bidens Hauptinteresse ist, dass Großbritannien und die EU produktiv zusammenarbeiten“, erklärt Sophia Gaston.
London bemüht sich auch deshalb um Kontakte ins Biden-Lager. Und Johnson setzt darauf, dass er bei wichtigen Themen dem Pragmatiker Biden näher ist als Trump, etwa dem Kampf gegen Klimawandel. Beide befürworten auch ein härteres Auftreten gegen Russland und ein aktives Engagement mit Iran und seinem Atomprogramm. Johnson unterstrich daher auf Twitter „unsere gemeinsamen Prioritäten, vom Klimawandel bis hin zu Handel und Sicherheit“.
Ob er und Biden eine besondere Beziehung entwickeln können bezweifeln viele, aber manche sagen, eine gute Arbeitsbasis wäre schon ein Erfolg. „Wir haben lange mit dieser Phantasie der besonderen Beziehung gelebt“, sagt Quentin Peel vom Think Tank Chatham House dem Kurier. „Es ist eine Annehmlichkeit. Aber ich glaube nicht, dass die Amerikaner die Beziehung jemals wirklich als besonders gesehen haben.“
Die neueste Obsession in London: Wann Biden Johnson anruft, oder ob die Telefone in Berlin und Paris zuerst läuten werden, vielleicht gar gefolgt von Dublin.
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