Was Kickls "Aktion scharf" gegen Asylwerber brachte
Asylwerbern wollte man Bargeld abnehmen, in ihren Quartieren eine Ausgangssperre verhängen, bei Negativ-Bescheiden „konsequent abschieben“; und straffällige Flüchtlinge sollten ihr Recht, in Österreich zu leben, verlieren.
Das propagierte der frühere FPÖ-Innenminister Herbert Kickl im Rahmen seiner "Aktion scharf" im Asylwesen. Und nach Anfragen von Neos-Mandatarin Stephanie Krisper im Innenministerium liegen nun Zahlen vor, die zeigen, ob die Verschärfungen gefruchtet haben.
92,80 Euro pro Kopf
Aber von vorn: Asylwerbern wurden heuer (die Angaben gehen von Jänner bis Juli 2019) exakt 73.777,89 Euro an Bargeld abgenommen. Möglich ist das durch eine Novelle seit September 2018.
Bei 795 Personen, die Bargeld dabei hatten, sind das pro Kopf im Schnitt 92,80 Euro. Das Geld soll ein Beitrag zu Asylverfahren und Versorgung sein. In Relation: Die Grundversorgung kostet den Bund jährlich 300 Millionen Euro.
Laut Anfragebeantwortung haben heuer 18 Asylwerber jene Vereinbarung, die eine Anwesenheit in den Nachtstunden vorsieht, nicht unterschrieben und wurden daraufhin in andere Quartiere verlegt. Sie waren verlegt worden, um die "besonderen Unterbringungs- und Betreuungserfordernisse" zu berücksichtigen, erklärt ein Sprecher aus dem Innenministerium dazu.
18 Personen - das ist angesichts der Zahl an Personen, die in Grundversorgung sind, ein winziger Teil. Ende 2017 waren das 60.000 Personen. Aktuellere Zahlen gibt es nicht - sie dürften aber massiv gesunken sein.
Weniger Negativ-Bescheide
Der Trend zu Negativbescheiden wurde schwächer: Im Vorjahr wurden 58 Prozent der Anträge negativ entschieden; heuer waren 47,7 Prozent negativ und 40,2 positiv. Die besten Chancen auf Asyl haben immer noch Syrer (9 von 10 sind positiv), schlechte haben die Top-Antragsteller aus Afghanistan (weniger als 4 von 10).
Heuer gab es bis zum Sommer nur knapp 7.000 neue Asylanträge, offen sind mit Stichtag 31. Juli noch 3.357 Verfahren in erster Instanz – das ist relativ wenig.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) konzentrierte sich zuletzt auf Aberkennungen und Abschiebungen. Radikal ausgedrückt: Man will bereits anerkannte Flüchtlinge wieder loswerden. Auch damit warb der damalige Ressortchef Kickl, der bei der Wahl am Sonntag wieder kandidiert. Die Versuche sind aber nur mäßig erfolgreich.
Bis Juli gab es 4.925 Verfahren zur Aberkennung von Asyl bzw. subsidiärem Schutz („Asyl light“), aber nur 1.804 tatsächliche Aberkennungen.
240 Personen, die bereits einen Schutztitel hatten, haben ihn verloren, weil sie straffällig geworden waren. Geprüft hatte man auf diesen Sachverhalt zuvor 1.643 Personen. Vier Personen, weil man in ihnen eine „Gefahr für die Sicherheit Österreichs“ sah, geprüft hatte man sieben.
Weitere Ausschlussgründe sind laut Innenministerium, wenn ein Asylberechtigter gemeldet wurde, weil er in seine Heimat gereist ist oder sich dort niedergelassen hat - sich also "freiwillig unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt hat", wie es im Fachjargon heißt.
Salopp ausgedrückt: Wenn er sich freiwillig dorthin begibt, fühlt er sich offenbar nicht mehr bedroht. Damit fällt aus Behördensicht der Asylgrund fällt weg. Jedenfalls wurde in 179 Fällen ein "Heimatbesuch" so gewertet (bei 828 Überprüfungen).
Europäer abgeschoben
Auch bei den Abschiebungen muss man das Versprechen Kickls von "konsequenter Abschiebung bei Negativbescheid" relativieren: Von 3.181 Abschiebungen waren zum weit überwiegenden Teil Europäer betroffen. Nur zwei nicht-europäische bzw. „klassische Asylwerber-Staaten“ sind in der Top-Ten, nämlich Nigeria (193) und Afghanistan (159).
Die meisten Abschiebungen gab es bei Slowaken (517), Serben (374) und Ungarn (344). Das dürften keine Asylwerber sein, sondern Personen, die offenbar keine gültige Aufenthalts- bzw. Arbeitserlaubnis in Österreich hatten.
Zum Vergleich: Im ganzen Jahr 2018 wurden 4.661 Personen abgeschoben, 5.665 sind freiwillig ausgereist.
Bei den knapp 4.000 freiwilligen Ausreisen heuer waren die Afghanen vorne: 430 gingen aus freien Stücken wieder zurück in die Heimat.
Dunkelziffer an Untergetauchten
Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper kritisiert, dass es immer noch keine Statistik zur so genannten "Deportation Gap" gibt - also Zahlen, wie viele nach einem Negativbescheid selbstständig wieder nach Hause gereist sind, und wie viele noch im Land - also untergetaucht - sind.
Zur Anfragebeantwortung bemerkt sie zudem: "Die Antworten von Minister Peschorn sind deutlich umfangreicher. Man sieht, dass sein Vorgänger Kickl die parlamentarische Kontrolle nicht sehr ernst genommen hat."
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