Was die NATO im Ukraine-Krieg macht und wie sie sich selbst schützt
Kaum von seinem überraschenden Blitzbesuch in Kiew zurückgekehrt, forderte Polens Vizepremier Jaroslaw Kaczynski: Die NATO müsse eine Friedensmission schicken, um der Ukraine beizustehen.
Doch die NATO-Verteidigungsminister hielten sich am Mittwoch bei ihrem Treffen in Brüssel nicht lange mit diesem Vorschlag auf: Unrealistisch – zumal das westliche Militärbündnis immer wieder klargemacht hat, dass es sich nicht in Kämpfe mit Russland hineinziehen lassen wolle. Diskutiert wurde stattdessen die dauerhafte Stationierung „substanzieller Kampftruppen“ im östlichen Bündnisgebiet, um sich langfristig besser gegenüber Russland zu schützen.
Die NATO konzentriert ihre Kräfte vielmehr auf die Lieferung von Waffen in die Ukraine und die Sicherung ihrer östlichen Flanke. Jener Staaten also, die fürchten, sie könnten gezielt oder auch durch Fehlschüsse von russischen Raketen getroffen werden.
Slowakei in Sorge
„Russland könnte den Flughafen von Uschgorod angreifen“, befürchtet der slowakische Verteidigungsminister Jarislav Nad. „Und die Landebahn dieses westukrainischen Flughafens endet 50 Meter vor unserer Grenze“, warnte er. In der Slowakei werden deshalb in den kommenden Tagen 2.100 zusätzliche NATO-Soldaten stationiert.Das Wichtigste dabei: Ein Patriot-Abwehrsystem soll von den Niederlanden in das ukrainische Nachbarland geholt werden. Polen hat in der Vorwoche zwei Patriot-Systeme von den USA erhalten, in Rumänien steht bereits eines, ein zweites könnte demnächst kommen.
Diese Abwehrsysteme sind in der Lage, Raketen und Marschflugkörper noch in der Luft zu zerstören. An die 90 Soldaten werden benötigt, um eine Patriot-Batterie zu betreiben. Jedes System besteht aus einem Radar, einer Kontrollstation und acht Trägerrekaten. Jede kann mit vier Raketen bestückt werden.
Die Ukraine hat um ein Patriot-System gebeten – und von den USA ein klares Nein gehört: Ukrainische Soldaten müssten erst mindestens drei monatelang auf das System eingeschult werden. Und US-Soldaten, das hat US-Präsident Joe Biden wiederholt klargemacht, würden ukrainischen Boden nicht betreten.
140.000 Soldaten
Doch umso mehr NATO-Kräfte werden jetzt an ihre Ost-Flanke verlegt. An die 140.000 Soldaten wurden in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt, 100.000 davon gehören den US-Streitkräften an. Seit 2005 waren nicht mehr so viele US-Soldaten auf europäischem Boden im Einsatz wie seit dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine.
Waffenlieferungen an die Ukraine
Verstärkt werden trotz der Warnungen aus Russland auch die Waffenlieferungen an die Ukraine. Meist läuft der Transport über Polen, wo die Waffen auf Lkw umgeladen und ins Nachbarland geschleust werden.
Knapp 20.000 panzerbrechende Waffen sollen in den vergangenen drei Wochen so zu den ukrainischen Streitkräften gelangt sein.22 NATO-Staaten haben angeboten, Waffen zu liefern, 14 Staaten sind dem bereits nachgekommen.
Angedacht ist offenbar auch die Lieferung eines S-300 Abwehrsystems russischer Bauart. Die Slowakei besitzt ein solches, Bulgarien ebenso. Ukrainische Soldaten könnten es bedienen.
Der Besuch von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am Donnerstag in der Slowakei und in Bulgarien könnte damit zusammenhängen.
Beim NATO-Sondergipfel kommende Woche wird auch US-Präsident Joe Biden teilnehmen. Das Weiße Haus erklärte am Dienstag in Washington, Biden wolle den Europäern im Ukraine-Krieg den „unverbrüchlichen Beistand“ der Vereinigten Staaten versichern.
In der belgischen Hauptstadt will der US-Präsident zudem an einem bereits geplanten EU-Gipfel teilnehmen.
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