Warum sich an den US-Waffengesetzen nichts ändern wird

AR-15 in einem Waffengeschäft in Utah.
Auch drei Tage nach dem größten Massaker in der jüngeren US-Geschichte hält Donald Trump eine Debatte über die Waffengesetze des Landes für verfrüht. Dabei wird seit Jahren darüber diskutiert. Rationale Argumente haben da kaum noch Platz.

3,7 Millionen. So viele Maschinengewehre des Typs AR-15 sind in den USA legal im Umlauf. Mit einem davon richtete Stephen Paddock das größte Massaker in der jüngeren Geschichte der USA an. Der frühere Buchhalter baute die im Handel nur als halbautomatische Waffe erhältliche AR-15 auf Dauerfeuer um. Ansonsten konnte er sie, wie wohl die meisten der 22 anderen Waffen auch, mit denen sich der 64-Jährige im 32. Stock des Mandalay Bay Hotels in Las Vegas verschanzte, legal erwerben.

Ein Umstand, der einmal mehr die Diskussion um strengere Waffengesetze in den USA aufflammen lässt. Es ist zur traurigen Routine geworden: Nach jedem Amoklauf werden die Stimmen für eine Abschaffung zumindest der sogenannten „Assault Rifles“ laut. Stephen Paddock hatte insgesamt 16 dieser Sturmgewehre in seinem Hotelzimmer verteilt. Die Rauchentwicklung vom verschossenen Schwarzpulver soll so stark gewesen sein, dass der Rauchmelder im Hotelzimmer anging.

Und nach jedem Amoklauf rücken Konservative zur Verteidigung der liberalen Waffengesetze, ja der Verfassung selbst aus, versteigen sich Vertreter der Waffenlobby NRA, der National Rifle Association, zu der Behauptung, dass nicht weniger, sondern mehr Waffen dabei helfen würden, solche Massaker zu verhindern.

Eine gewagte These, angesichts dieser Zahlen: Seit dem Amoklauf in einem Schwulenclub in Orlando im Juni 2016, damals das tödlichste Attentat in der Geschichte der USA, starben laut Süddeutscher Zeitung mindestens 585 Menschen in sogenannten "Mass shootings", mehr als 2.100 Menschen wurden in Schießereien verletzt. In den USA sterben mehr Menschen durch Waffen als durch Aids, Drogen, Kriege und Terror zusammen. Im Bundesstaat Nevada, wo das Attentat vom Sonntag passierte, stirbt alle zwanzig Stunden ein Mensch an einer Kugel.

Glaubensfrage

Nicht alle dieser Waffen sind legal, versteht sich. Und dennoch stellt sich die Frage, was etwa seit dem Attentat in Orlando unternommen wurde. Die Antwort, wie bei allen Attentaten davor: Nichts. Im Gegenteil.

Die Diskussion über Waffengesetze ist längst zur Glaubensfrage geworden. Für die Befürworter geht es um mehr als um Statistiken. Es geht um das nationale Selbstverständnis. Rationale Argumente oder Pietät haben da wenig Platz.

Nach dem Terroranschlag auf das Pariser Bataclan, bei dem 90 Menschen ermordet wurden, meinte Jesse Hughes, ein erklärter Anhänger der NRA und Sänger jener Band, deren Konzert gestürmt worden war, das Massaker hätte verhindert werden können, wenn die Besucher nur selbst bewaffnet gewesen wären.

Der Logik von Jesse Hughes und der NRA folgend, griffen mit der steigenden Zahl an Schießereien immer mehr Menschen zu Schusswaffen, analysiert der Thinktank "Center for American Progress". 300 Millionen Schusswaffen befinden sich in den USA heute in Privatbesitz.

Präsident Barack Obama versuchte vergeblich gegen die laschen Waffengesetze in seinem Land vorzugehen. Und wenn der es nicht schaffte, sich gegen den Widerstand der Republikaner und ihrer Einflüsterer von der kleinen, aber mächtigen NRA durchzusetzen, was ist dann von einem Präsidenten Donald Trump zu erwarten?

"Es gibt eine Zeit und einen Ort für eine politische Debatte, aber jetzt ist die Zeit, um als Land zusammenzustehen“, verkündete Trumps Sprecherin Sahra Huckabee Sanders nach dem Massaker von Las Vegas.

Die NRA ließ sich diesen Satz 30 Millionen Dollar kosten – so viel investierte die Waffenlobby in den Wahlkampf Donald Trumps, der im Gegenzug versprach, nicht am zweiten Verfassungszusatz rütteln zu wollen.

Es ist dieser Zusatzartikel zur Bill of Rights aus dem Jahr 1791, an dem sich die politische und juristische Debatte in den USA spätestens scheidet. Wörtlich heißt es darin: "Da eine wohlgeordnete Miliz für die Sicherheit eines freien Staates notwendig ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden."

Streit der Rechtsschulen

Soll dieses Gesetz nun im historischen Kontext, als vor dem Hintergrund einer Zeit, als die meisten Waffen mühsam nachgeladen werden mussten und die nationale Armee schwach war, interpretiert werden, oder im Wortlaut, wie das die Anhänger einer living constitution ("lebendige Verfassung") wollen? Es ist ein juristischer Streit, der erst 2008 mit einem Erfolg für die Befürworter liberaler Waffengesetze endete. Damals entschied das Oberste Gericht, dass das Second Amendment die Rechte Einzelner auf den Besitz und das Tragen von Waffen schützt. Einzelne Bundesstaaten haben dennoch strengere Waffengesetze eingeführt.

Ginge es nach den Amerikanern selbst, wären mehr Regulierungen kein Problem. Insbesondere für sogenannte "Background checks" der Käufer und für Verkaufsverbote bei Personen, die sich in psychologischer Behandlung befinden, gibt es bei Umfragen regelmäßig eindeutige Mehrheiten.

Auch, ob die Anzahl Waffen, die ein Einzelner kaufen kann, limitiert werden soll und ob einzelne Waffengattungen verboten werden sollen, wird regelmäßig diskutiert. Das Beispiel Australien, wo halbautomatische Gewehre und Schrotflinten, sowie Pumpguns verboten sind, wird hier immer wieder ins Feld geführt. Seit das Land nach einem Amoklauf, der 1996 das ganze Land erschütterte, seine Waffengesetze radikal änderte, ist es zu keinem sogenannten "Mass shooting" mehr gekommen.

An der Debatte in den USA ändert das kaum etwas. Die Fronten sind auf beiden Seiten verhärteter denn je, seit der Wahl Donald Trumps trauen sich Demokraten wie Republikaner keinen Zentimeter mehr über den Weg. Auf politischer Ebene ist und bleibt das Mantra der Konservativen unverhandelbar: Ein Mann mit einer Waffe kann nur von einem Mann mit einer Waffe gestoppt werden.

Umdenken

Für Caleb Keeter macht das alles keinen Sinn mehr. Auch Keeter ist wie Jesse Hughes Musiker, Country-Musiker um genau zu sein. Und wie Hughes vor bald zwei Jahren im Bataclan, spielte Keeter am Abend des Massakers mit seiner Band. Wie Hughes sei er ein Waffenbefürworter gewesen, schrieb Keeter nach dieser Nacht, in der er um sein Leben fürchtete. "Wir haben selbst Waffen in unserem Bus", schrieb er, doch die waren nutzlos. "Hätten wir sie geholt, hätte uns die Polizei womöglich für Täter gehalten", ein Chaos wäre ausgebrochen. Er, der Waffenfreund, sei nun für strengere Waffengesetze - und zwar sofort. "Wie konnten wir nur alle so blind sein."

Und Jesse Hughes? Der dankte auf Facebook "Gott dem Allmächtigen", für den Mut der "First Responders" (Erste Helfer vor Ort), die keine Zeit verschwendeten mit ihren Waffen aufzutauchen und dieser "elenden Existenz" ein Ende zu setzen.

Dass Stephen Paddock rund eine halbe Stunde aus dem Fenster seines Hotelzimmers feuerte, bevor die "First Responders", namentlich örtliche Sicherheitskräfte, eingreifen konnten und sich Paddock vorher selbst erschoss? Es wäre wohl keine Glaubensfrage, wenn auch für solche Details noch Platz wäre.

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